Die Riesengrosshändler

Sie finden es mühsam, Ihren alten Wagen loszuwerden? Dann versuchen Sie mal, einen Supertanker zu verkaufen

Eine kleine Portion Aberglauben gehört schon dazu, ausgerechnet mit gebrauchten Frachtschiffen zu handeln. Deshalb demonstriert Christoph W. Bruhn auch nicht mal eben für den Besucher den „feinen, hellen Klang“ der kleinen Messing-Schiffsglocke, die innen am Fensterrahmen in der Hamburger Schiffsmaklerei „Tetzner & Bruhn“ hängt. Es ist das Glöckchen des schwedischen Chemikalientankers „Aldebaran“, des ersten Schiffes, das Bruhn als selbstständiger Makler 1990 vermittelte. Gebimmelt wird, mit einer kleinen Verrenkung vom Schreibtisch aus, nur nach erfolgreichen Deals. Bislang tönte es mehr als 200 Mal.

Doch bis es soweit ist, und deshalb lässt Bruhn hübsch die Hand vom Klöppel, drohen Dutzende von Stolperfallen: Natur-Tragödien, technisches Versagen, zwischenmenschliche Verwicklungen. Gerne auch noch nach Einigung und Vertragsabschluss. Denn die Geschäfte, bei dem ein 15 Jahre alter Massengutfrachter für sechs Millionen oder ein noch fast neuer Supertanker für 50 Millionen Dollar zwischen China und Schweden, der Türkei und Panama den Besitzer wechseln, sind nicht mit der Preisfindung für einen 1993er VW Golf mittels Blick in die Schwacke-Liste zu vergleichen.

Zunächst einmal beschäftigt jeder der beiden Verhandlungspartner einen Makler, der mit dem anderen im Auftrag seines „Prinzipals“, also Reeders verhandelt. Beide Schiffsmakler erhalten nach Geschäftsabwicklung eine Provision von üblicherweise je einem Prozent des Kaufpreises. Und diese insgesamt zwei Prozent zahlt, im Gegensatz zum Wohnungsmarkt, der Verkäufer. Allerdings kommen dabei, nach bis zu einem Jahr Arbeit, nur ziemlich selten eine halbe Million Dollar pro Maklerfirma heraus: „Manche Geschäfte sind so umfangreich, dass man für sein Prozent schon kämpfen muss, weil beide Prinzipale am Ende auf 0,75 bestehen“, sagt Bruhn.

Doch dass sich beide Reeder derart einig sind – etwa weil sie schon oft Geschäfte miteinander gemacht haben und eigentlich inzwischen ohne Makler auskämen –, kommt unter den durchaus eitlen Matadoren der Meere zum Glück seltener vor: „Das Schöne am Zwei-Makler-System ist ja“, lacht Bruhn, „dass jeder Prinzipal bei seinem Makler über den anderen Reeder herziehen kann, und wir müssen das dann filtern und konstruktiv weitergeben.“ Schließlich wollten die hohen Herren nicht durch zu unverschämte Verhandlungsführung das Gesicht verlieren.

Auch wegen kulturell und sprachlich bedingter Verhandlungsschwellen in diesem weltumspannenden Geschäft sind die Expertisen und das Fingerspitzengefühl der Makler gefragt. Wenn sich etwa Reeder aus Thailand betont freundlich geben, kann dies auch absolute Ablehnung bedeuten: „Ich habe schon tobende deutsche Reeder erlebt“, sagt Bruhn, „weil die Thai alles blockierten – aber mit stoischer Ruhe und Höflichkeit.“

Manche Griechen hingegen „poltern rum, versuchen einen übers Ohr zu hauen und bei jeder Gelegenheit 50 Dollar rauszuschinden". Bei Syrern oder Libanesen wiederum tut der Deutsche gut daran, nicht an eine „Kamelhändler-Mentalität“ zu glauben. Wenn im Nahen Osten jemand eine Million Dollar bietet, ist er nicht wirklichbereit, zwei Millionen geben: „Man kann froh sein, wenn man sich bei 1,1 Millionen einigt.“

Zunächst indes liefern sich Schiffsmakler weltweit nicht selten ein monatelanges Hin und Her mit technischen Inspektionen des Schiffes und zermürbenden Detailverhandlungen über den Wert von Treibstoffvorräten an Bord, Reparaturpflichten oder auch mal nur einen kaputten Satellitenempfänger für 3000 Dollar. Ein Trick unter vielen: Die Trimmung – die Schwimmlage des Frachters im Wasser – wird leicht verändert, damit der Pegel des Tanks mehr Treibstoff anzeigt, was den Verkaufspreis erhöht. Wurde auch das durch Gutachter ausgeschlossen, eine Übereinkunft gefunden und zehn Prozent Anzahlung auf ein Treuhandkonto überwiesen, steht das „Closing“, der Geschäftsabschluss, bevor.

Dabei prüfen, meist in der Bank des verkaufenden Reeders, beide Seiten ein letztes Mal die Papiere, vollziehen die Überweisung des Geldes und bestätigen den Empfang.

Das schlichte amtliche Hauptformular, die „Bill of Sale“, existiert in fast unveränderter Form schon seit einem Jahrhundert. Hinzu kommen diverse Erklärungen, wie das „Memorandum of Agreement“ und die Klassebescheinigung (vergleichbar einer TÜV-Zulassung) durch eine möglichst namhafte Klassifikationsgesellschaft wie „Lloyd’s Register“ oder das „American Bureau of Shipping“.

Ein zweiter Schauplatz während des Closings ist der Liegeplatz des Schiffes, meist in einem ganz anderen Teil der Welt. Von Bord aus melden Abgesandte der Parteien telefonisch, dass dort technisch alles in Ordnung ist, woraufhin in der Bank die Dokumente übergeben werden. Schließlich übertragen die Registerbehörden der beteiligten Länder noch die Schiffszulassung – und der Deal ist perfekt. Fehlt noch der Wach- und Flaggenwechsel an Bord. Normalerweise.


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mare No. 44

No. 44Juni / Juli 2004

Von Oliver Driesen

Oliver Driesen, Jahrgang 1966, ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg. Bei den Verkaufsverhandlungen im Konferenzsaal einer deutschen Landesbank beeindruckte ihn die Spannung: „Fast wie im Spielcasino.“

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Vita Oliver Driesen, Jahrgang 1966, ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg. Bei den Verkaufsverhandlungen im Konferenzsaal einer deutschen Landesbank beeindruckte ihn die Spannung: „Fast wie im Spielcasino.“
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Vita Oliver Driesen, Jahrgang 1966, ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg. Bei den Verkaufsverhandlungen im Konferenzsaal einer deutschen Landesbank beeindruckte ihn die Spannung: „Fast wie im Spielcasino.“
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