Die rettende Idee

Wie eine kleine Blechdose vor dem Ertrinken im Watt schützte

Hans Petersen wirkte immer ein wenig in sich gekehrt, wenn er, seinen Spazierstock in der Hand, durch Cuxhaven schlenderte. Dann blickten seine hellblauen Augen oft ins Leere. Wenn ein Freund oder Nachbar ihn ansprach, schien es, als kehre er aus der Ferne zurück, ehe er antwortete. Vielleicht hatten ihn die beiden Weltkriege grüblerisch gemacht. Vielleicht war er so, weil sein Bruder nicht mehr aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war, vielleicht, weil sein Vater früh gestorben war. In jedem Fall waren der Mensch, das Dasein und der Tod die großen Themen, die Hans Petersen zeitlebens beschäftigten. 

Es brachte ihn in Rage, wenn er hörte, dass im Watt und in den Prielen vor Cuxhaven wieder Badegäste oder Wattwan­derer auf dem Weg zur Insel Neuwerk ertrunken waren. Als er Ende der 1950er-Jahre in Rente ging, begann er bitterböse Briefe an die Kurverwaltung zu schreiben. Er schimpfte, dass die Kurverwaltung nicht genug vor den Gefahren, den tiefen Prielen und der Flut warne. Zwar ver­öffent­lichte der Bademeister regelmäßig eine Tabelle mit Hoch- und Niedrigwasserzeiten für das Cuxhavener Watt. Gegen die eigentliche Gefahr, die Priele, die bei Flut je nach Wetter und Wasserstand langsamer oder schneller volllaufen, helfe das aber wenig, schrieb Petersen voller Zorn. Die simple Tabelle irritiere und gefährde die Wattwanderer eher. Als ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen vor Gericht stand, weil einer seiner Schüler beim Baden im Watt abgetrieben und ertrunken war, stand Hans Petersen ihm als Gutachter zur Seite. Nicht der Lehrer sei schuld, sondern die Badeaufsicht, die an dem Tag nicht ausreichend gewarnt habe.

Hans Petersen hatte als Ingenieur viele Jahre beim Wasser- und Schifffahrtsamt gearbeitet und den großen steinernen Leitdamm mit geplant, der bei Cuxhaven mehrere Kilometer hinaus ins Watt führt. Der trennt die tiefe und stark strömende Elbe von den Wattflächen. Petersen kannte sich also bestens mit den Gezeiten und den Strömungen vor Cuxhaven aus. Und so ersann er 1958 ein einzigartiges Werkzeug, mit dem die Badegäste und Urlauber künftig sicherer durch das Watt streifen sollten: die Gezeitentrommel, eine mit der Kugelbake von Cuxhaven und dem Leuchtturm von Neuwerk bemalte Blechbüchse von der Größe einer Handcremedose, mit einem flotten Trageriemen aus Kunstleder.

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mare No. 155

mare No. 155Dezember 2022 / Januar 2023

Von Tim Schröder und Hans Hansen

„Die Gezeitentrommel atmet den Charme der 1950er“, findet der Oldenburger Journalist Tim Schröder. Sollte sie wieder aufgelegt werden, wird er sich auf jeden Fall eine zulegen.

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Vita „Die Gezeitentrommel atmet den Charme der 1950er“, findet der Oldenburger Journalist Tim Schröder. Sollte sie wieder aufgelegt werden, wird er sich auf jeden Fall eine zulegen.
Person Von Tim Schröder und Hans Hansen
Vita „Die Gezeitentrommel atmet den Charme der 1950er“, findet der Oldenburger Journalist Tim Schröder. Sollte sie wieder aufgelegt werden, wird er sich auf jeden Fall eine zulegen.
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