Welchen Einfluss das Wetter auf Plomleys geniale Idee hatte, ist nicht überliefert. Fest steht, es war ein Novemberabend 1941 in Hertfordshire, nördlich von London, als eine der ältesten noch laufenden Radiosendungen der Welt geboren wurde. „Meine Ofenkohle war bereits erloschen“, erinnerte Roy Plomley sich später. Der 27-jährige Schauspieler und freie Rundfunkansager steckte schon im Pyjama, als er auf seiner Schreibmaschine den knappen Plot an den Verantwortlichen fürs Unterhaltungsprogramm der BBC tippte: „Lieber Leslie, hier ist eine weitere Idee für eine Serie. DESERT ISLAND DISCS – ‚Wenn Sie auf einer einsamen Insel stranden würden, welche zehn Schallplatten würden Sie gern mitnehmen? – Vorausgesetzt natürlich, dass Sie auch ein Grammofon und Nadeln haben! Heute wird … ans Mikrofon kommen, um diese Frage zu beantworten.‘“ Die imaginäre Insel verortete Plomley nicht in der rauen Nordsee, sondern inmitten der Südsee; eine frühe Werbeillustration zeigt Affen unter Palmen, die aufgeregt um ein Grammofon toben. Exotik war Programm.
Als Erkennungsmelodie der Radiosendung dient bis heute der langsame Walzer „By the Sleepy Lagoon“ aus dem Jahr 1930. Der Komponist Eric Coates hatte sich an einem warmen, stillen Sommerabend durch den Blick vom Oststrand in Selsey an der Südküste Englands inspirieren lassen. „Es war dieser Eindruck“, erinnerte sich sein Sohn, „der Blick hinüber nach Bognor – das rosa aussah, fast wie eine verwunschene Stadt mit dem Blau der Downs im Hintergrund –, der ihn auf die Idee für die ,Sleepy Lagoon‘ brachte.“ Unter das Orchesterstück mischte man den Sound von anbrandenden Wellen mit Möwengeschrei. Erst Jahre später merkten Zuhörer an, dass die Silbermöwen nicht zur Idee einer Tropeninsel passen würden. Daraufhin ersetzte man 1964 die Seemöwen durch tropische Vögel – allerdings nur für ein paar Monate, dann kamen doch wieder die Möwen zum Einsatz.
Bei den Studiogästen dachte Plomley an Tanzkapellmeister, Schauspieler, Filmstars, Schriftsteller, Wunderkinder, Tänzer oder schlicht „alle möglichen Leute“. Der erste, der dann als „Schiffbrüchiger“ im Januar 1942 in die bombenbeschädigten Maida-Vale-Studios eingeladen wurde, war der jüdische Schauspieler Vic Oliver, verheiratet mit Winston Churchills Tochter Sarah – heute wie viele frühe Gäste eher unbekannt. Man kann die Liste der Eingeladenen aber auch wie ein „Who’s who“ der Generationen lesen: Schauspieler George Clooney (2003, Dinah Washington, „Destination Moon“), Physiker Stephen Hawking (1992, Wolfgang Amadeus Mozart, „Requiem in d-Moll“), Bischof Desmond Tutu (1994, USA for Africa, „We Are The World“), Musiker Paul McCartney (1982, John Lennon, „Beautiful Boy“) oder Autorin J. K. Rowling (2000, Peter Tschaikowski, „Violinkonzert in D-Dur, op. 35, 1. Satz“). Und ihre Musikauswahl bot immer auch Raum für Statements: Vic Oliver hatte sich Chopins Revolutionsetüde „Noch ist Polen nicht verloren“ gewünscht, ganz im Geist der Kriegszeit.
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Roland Brockmann war schon als Kind fasziniert vom Radio. „Desert Island Discs“ ist ihm dabei entgangen. Toll also, dass man heute nicht nur aktuelle, sondern auch die alten BBC-Sendungen im Internet findet.
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Vita | Roland Brockmann war schon als Kind fasziniert vom Radio. „Desert Island Discs“ ist ihm dabei entgangen. Toll also, dass man heute nicht nur aktuelle, sondern auch die alten BBC-Sendungen im Internet findet. |
Person | Von Roland Brockmann |
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Vita | Roland Brockmann war schon als Kind fasziniert vom Radio. „Desert Island Discs“ ist ihm dabei entgangen. Toll also, dass man heute nicht nur aktuelle, sondern auch die alten BBC-Sendungen im Internet findet. |
Person | Von Roland Brockmann |