„Ich wünsche mir eine Stadt, in der jeder ausländische Gast sich wohlfühlt“, sagte der Wirtschaftsminister.
„Letztes Jahr hatten wir 1,4 Millionen Touristen“, sagte der Tourismusbeauftragte.
„Diese Stadt ist eine Fantasie von Mischa, ein Spielzeug unseres Präsidenten“, sagte der Professor.
Willkommen in Batumi. 180 000 Einwohner, eine Altstadt mit flachen Gründerzeithäusern, geschwungenen Balkongittern und Abwasserleitungen, die gerade mit einem Entwicklungskredit aus Deutschland aufwendig saniert wurden, weil sie so marode waren. Ein Hafen, in dem heute vor allem Öl umgeschlagen wird. Eine Stadt, von der man sagen kann, dass jeder in Georgien eine Meinung zu ihr hat. Batumi sollte für den Aufschwung Georgiens und für die Einheit des Landes stehen. Nun steht es für einen gescheiterten Präsidenten.
Vor viereinhalb Jahren führte Georgien einen Krieg gegen Russland. Ein kleines Land gegen ein großes. Saakaschwili gegen Putin. Mischa gegen Wladimir. Wer zuerst angriff, war lange umstritten. Klar war: Abchasien und Südossetien, die beiden Regionen, die sich nach dem Ende der Sowjetunion blutig von Tiflis abspalteten, konnte auch dieser Krieg gegen Russland nicht wieder georgisch machen. Im Gegenteil. Nach dem Konflikt 2008 wurden sie von Russland, Nicaragua, Venezuela und einigen kleinen Inselstaaten offiziell anerkannt. Wieder etwas offizieller war damit aber auch, dass Georgien nur noch gut 120 Kilometer Küstenlinie kontrolliert. Wäre Abchasien noch georgisch, es wären 310. Wie zum Trotz: Nach dem kurzen Krieg begann der Aufstieg der Küstenstadt Batumi, der Hauptstadt der Region Adscharien.
2010 eröffnete das „Sheraton Batumi Hotel“, 2011 das „Radisson Blu“. Ein Wolkenkratzer mit dem Namen des US-Immobilienmagnaten Donald Trump wird geplant, ein neues Kreuzfahrtterminal entsteht. 2012 wurden die Stadtgrenzen verlegt, man brauche Platz für neue Projekte, hieß es bei Batumi Invest, der Agentur, die Interessenten erzählt, warum es sich lohnt, hier Geld zu lassen. Vom „Wunder von Batumi“ sprachen die einen, vom neoliberalen Wahn des Präsidenten die anderen.
An der Küste, wo einst Jason das Goldene Vlies raubte und die Russen die Provinz Abchasien, entstand in Batumi das himmelstürmende Symbol für das neue Georgien. Was für ein Georgien sollte das sein? Das alte Georgien war eines in schwieriger Lage. Im Norden der große Nachbar Russland, dem man in herzlicher Feindschaft verbunden war, im Westen die aufstrebende Regionalmacht Türkei. Auf der einen Seite das für die Olympischen Spiele aufgemotzte Sotschi, auf der anderen 70 Millionen Muslime. Dazwischen Georgien: großzügig gerechnet 4,5 Millionen Einwohner, meist christlich. 132 Euro monatliches Durchschnittseinkommen, kaum eigene Rohstoffe. Der Export im Wesentlichen auf Eisenschrott und Nüsse beschränkt, eine offizielle Arbeitslosenquote von knapp 17 Prozent, eine inoffizielle von 60 Prozent. Mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung waren 2010 in der Landwirtschaft beschäftigt, meist in kleinen Betrieben. Ein Land der Selbstversorger.
Ein Besuch beim Manager des „Sheraton Batumi“ ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl im vergangenen Oktober. Der Mann mit dem respekteinflößenden Händedruck bat zum Cappuccino. Das Hotel sieht von außen aus wie einer der Zuckerbäckertürme des gebürtigen Georgiers Stalin in Moskau, Riga oder Warschau, dank der Beleuchtung nur glitzernder. In der Lobby hängen riesige Porträts westlicher Stars: Kurt Cobain, Bob Marley, Bruce Springsteen. Im Büro des Managers eine weitere Galerie: der Gouverneur der Region Adscharien, der Präsident Georgiens und Kemal Atatürk nebeneinander. „Es gibt hier eine stabile Regierung und eine stabile wirtschaftliche Entwicklung“, sagte der Manager. „Man sollte diesen Georgiern eine Medaille verleihen, statt sich zu beschweren.“
Der Manager sagte auch, dass die Sheraton-Erwartungen schon im ersten Jahr übertroffen worden seien. Fünf Millionen Dollar hätten sie 2011 erlösen sollen; das habe man locker geschafft. Genauer wollte er nicht werden. Nur so viel: Es würden gute Löhne gezahlt, mehr als ein normaler georgischer Verdienst. Und ja, das hatten sie auch bei der Investitionsagentur erzählt: Wer in Batumi investiere, müsse Georgier beschäftigen.
Das ganze Hotel wurde von einem türkischen Investor gebaut, auch der Manager ist ein Türke. Sheraton war die erste ausländische Hotelkette, die den Sprung nach Batumi wagte. 2007 wurden die Verhandlungen geführt, schnell ging es dann, berichtete der adscharische Wirtschaftsminister. „Die Gruppe kam, sah sich alles an, dann saßen wir drei Stunden zusammen, und die Sache war perfekt.“ Es sei wichtig gewesen, dass die Türken den Schritt gewagt hätten, denn nun zögen alle anderen nach.
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Rena Effendi, Jahrgang 1980, interessiert sich seit ihrem Geschichtsstudium für Osteuropa. Besonders fasziniert ist sie von Architektur als Ausdruck der Politik.
Rena Effendi wurde 1977 in Baku, Aserbaidschan, geboren. Nach Batumi kam sie zum ersten Mal 2007 für ihr Großprojekt: den Verlauf der Ölpipeline vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer zu fotografieren (mare No. 67). Sie wird durch die Agentur Institute vertreten.
Vita | Rena Effendi, Jahrgang 1980, interessiert sich seit ihrem Geschichtsstudium für Osteuropa. Besonders fasziniert ist sie von Architektur als Ausdruck der Politik.
Rena Effendi wurde 1977 in Baku, Aserbaidschan, geboren. Nach Batumi kam sie zum ersten Mal 2007 für ihr Großprojekt: den Verlauf der Ölpipeline vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer zu fotografieren (mare No. 67). Sie wird durch die Agentur Institute vertreten. |
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Person | Von Judith Scholter und Rena Effendi |
Vita | Rena Effendi, Jahrgang 1980, interessiert sich seit ihrem Geschichtsstudium für Osteuropa. Besonders fasziniert ist sie von Architektur als Ausdruck der Politik.
Rena Effendi wurde 1977 in Baku, Aserbaidschan, geboren. Nach Batumi kam sie zum ersten Mal 2007 für ihr Großprojekt: den Verlauf der Ölpipeline vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer zu fotografieren (mare No. 67). Sie wird durch die Agentur Institute vertreten. |
Person | Von Judith Scholter und Rena Effendi |