Der Regenmacher

Im Jahr 1916 verspricht ein geheimnisvoller Privatgelehrter der von ­jahrelanger Dürre geplagten Stadt San Diego in Südkalifornien, Regen zu machen. Der Regen kommt – im Übermaß. Zufall oder nicht?

Die Lage in San Diego ist ernst. Seit Tagen regnet es so stark, dass die Innenstadt unter Wasser steht. In den Bergen östlich der kalifornischen Küstenstadt gehen Schlamm­lawinen ab. Flüsse sind über die Ufer getreten und tragen ganze Häuser davon. Da klingelt bei der Wasser­behör­de der Stadt das Telefon. Als der Mitarbeiter abhebt, sagt die Stimme am anderen Ende der schnarrenden Leitung: „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass das nur ein leichter Regen ist. Warten Sie nur ab, bis ich Ihnen richtigen Regen zeige.“ Dann bricht die Verbindung ab. 

Noch am Morgen dieses 17. Januar 1916 titelt die Tageszeitung „San Diego Union“: „Regenguss legt den Mantel des Reichtums auf die Gemeinde: Regenrekorde gebrochen“. Sie berichtet, dass die ganze Stadt diskutiere, ob der nicht endende Wolkenbruch auf die Arbeit des Regenmachers Charles Hatfield zurückgehe.

Hatfield, 40, hatte wenige Wochen zuvor von der Stadtverwaltung einen ungewöhnlichen Auftrag erhalten. Er sollte die Dürre beenden, die den Farmern der Region die Lebensgrundlage entzieht und die Wasserversorgung von San Diego gefährdet. 

Hatfield nennt sich „Feuchtigkeitsbeschleuniger“ und behauptet schon seit Längerem, mit dem Verdampfen von Chemikalien den Wolken Regen entlocken zu können. Als San Diegos vier Trinkwasserreservoire – Lower Otay, Upper Otay, Sweetwater und Morena Dam – Ende 1915 gefährlich wenig Wasser führen, verspricht die Stadtverwaltung Hatfield 10 000 Dollar, wenn er das Morena-Reservoir in den Bergen östlich der Stadt bis Jahresende 1916 füllt: Es kann 56 Milliarden Liter Wasser fassen. 

Kurz vor Silvester 1915 schlagen Hatfield und sein Bruder Paul in der Nähe des Reservoirs ihr Lager auf. Zwei Militärzelte dienen als Schlafstätte und Kochbereich. Sie haben Lebensmittel für drei Monate dabei: Speck, Sauerteigbrot, Mehl, Kaffee. Aus einer Ladung Bauholz konstruieren sie einen sechs Meter hohen Turm, auf den sie eine Plattform mit 2,5 Meter Durchmesser setzen. Dort verdampft Hatfield stundenlang seine Chemika­lien in galvanisierten Eisenpfannen auf Heizgeräten. 

In seinem Buch „The Philosophy of Storms“ beschrieb der angesehene US-Meteorologe James Pollard Espy schon 1841, dass aufwärts strömende feuchte Luft sich mit kühlerer Luft vermischt und so Regen auslöst. Doch kann der Mensch dabei wirklich nachhelfen? Hatfield ist zumindest nicht der Erste, der behauptet, es zu können. 

Die Ideen reichen von gigantischen Stoffplanen, Metallschildern oder Erdwällen bis zu Ventilatoren, um die feuchte Luft aufwärts zu leiten. Andere wollen mithilfe von Elektrizität und Spannung Regen auslösen. 1871 schreibt der Ingenieur Edward Powers in seinem Buch „War and the Weather: The Artificial Production of Rain“, dass es nach Militärschlachten oft regnet. Er glaubt, dass Druckwellen und Schießpulver Regenwolken aufbrechen können. Die US-Regierung finanziert 1891 Experimente in Texas: General Robert St. George Dyrenforth zündet mit Explosionsstoffen bestückte Flugdrachen und Ballons, die mit Wasserstoff und Sauerstoff gefüllt sind. Nach dem ersten Versuch regnet es. Bei einem zweiten Experiment fällt kein einziger Tropfen. 

Regenmacher wie Hatfield nutzen Chemikalien, halten die Inhaltsstoffe aber geheim. Eine Formel wird schließlich doch bekannt: 295 Milliliter Schwefelsäure, 1,4 Liter Wasser, 140 Gramm Zink. Hatfield mischt nach eigenen Aussagen mehr als 20 Chemikalien. 

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 152. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 152

mare No. 152Juni / Juli 2022

Von Jasmin Lörchner

Jasmin Lörchner, Jahrgang 1985, Autorin in Phoenix, Arizona, lebt selbst in einer Region, die seit Jahren eine Dürre durchmacht. Bei Recherchen über die Wasserprobleme im Westen der USA stieß sie auf die Geschichte des Regenmachers.

Mehr Informationen
Vita Jasmin Lörchner, Jahrgang 1985, Autorin in Phoenix, Arizona, lebt selbst in einer Region, die seit Jahren eine Dürre durchmacht. Bei Recherchen über die Wasserprobleme im Westen der USA stieß sie auf die Geschichte des Regenmachers.
Person Von Jasmin Lörchner
Vita Jasmin Lörchner, Jahrgang 1985, Autorin in Phoenix, Arizona, lebt selbst in einer Region, die seit Jahren eine Dürre durchmacht. Bei Recherchen über die Wasserprobleme im Westen der USA stieß sie auf die Geschichte des Regenmachers.
Person Von Jasmin Lörchner
Suchmaschine unterstützt von ElasticSuite