Der 24-Millionen-Dollar-Mord

Eine Fähre gerät 1990 im Skagerrak kurz nach dem Ab­legen in Brand. 159 Menschen sterben in Rauch und Flammen, selbst die schnell herbeigeeilte Feuerwehr schafft es nicht, gegen die Brände anzukommen – immer wieder neue Herde brechen aus.

Es war Freitag, der 6. April 1990, als die Geschichte um dieses Schiff ihren Lauf nahm. Die, die dabei waren und am Leben blieben, sprachen später von einem „Schrottschiff“, das da als luxuriöse, aber trotzdem preisgünstige neue Fähre der DaNo-Linjen zwischen Oslo und Frederikshavn in Dänemark angepriesen worden war.

Die Osterferien hatten gerade begonnen. Viele Familien mit Kindern waren an Bord. Und erst vor einer Woche war die „Scandinavian Star“ in Dienst gestellt worden. Der Reeder wollte sich das lukrative Feriengeschäft nicht entgehen lassen. Da spielte es keine Rolle, dass an Bord des Schiffes, das erst vor Kurzem aus den USA überführt worden war, hier und da noch Hand angelegt werden musste. Einige der renovierungsbedürftigen Kabinen waren noch nicht fertiggestellt, es fehlten Schlüssel und Wegweiser, elektrische Leitungen hingen von der Decke. Manche Toilettenspülungen funktionierten nicht.

Erst drei Stunden später als geplant, um 21.45 Uhr, legte die 19 Jahre alte, auf den Bahamas registrierte Fähre schließlich in Oslo ab. Der Zielhafen sollte am Morgen erreicht werden.

An Bord befanden sich rund 500 Passagiere, und auf der abendlichen Fahrt durch den Oslofjord bot sich zunächst das übliche Szenario: Hochbetrieb im Taxfree-Shop und in den Restaurants, in der Borddiskothek wurde getanzt und reichlich Alkohol ausgeschenkt.

Vier Stunden nach dem Ablegen, mitten im Skagerrak unweit der schwedischen Westküste, stand die gut 140 Meter lange und 20 Meter hohe Fähre dann plötzlich lichterloh in Flammen. Obwohl nach dem um 2.22 Uhr von Kapitän Hugo Larsen abgesetzten Notruf schnell Hilfe zur Stelle war, verloren 158 Menschen ihr Leben. Ein weiteres Opfer starb eine Woche später im Krankenhaus.

Der Havarist wurde in den schwedischen Fischereihafen Lysekil bei Uddevalla geschleppt. Und schnell zählte damals die Weltpresse eins und eins zusammen. Ein unter sogenannter Billigflagge fahrendes Schiff, das nicht einmal über Sprinkleranlagen verfügte; Feuermelder, die abgestellt worden waren, um angeblich häufig durch Betrunkene ausgelöste Fehlalarme zu verhindern; ferner eine aus verschiedensten Nationalitäten kurzfristig über eine Agentur in Hongkong angeheuerte Besatzung, die erst Tage zuvor im Schnellverfahren für den Notfall ausgebildet worden war – Zustände, wie man sie sich bestenfalls auf einem Seelenverkäufer in Südostasien vorstellen konnte.

Doch das allein erklärte noch nicht, wie das Feuer an Bord der „Scandinavian Star“ überhaupt entstehen und sich derart schnell ausbreiten konnte. Für die Spurensicherung stand bald fest, dass die Passagiere der „Scandinavian Star“ Opfer einer Brandstiftung geworden waren. Der Rest aber blieb ein Rätsel. Ein Rätsel, das seit mehr als zwei Jahrzehnten die skandinavische Öffentlichkeit beschäftigt.

Einer der Ersten, die damals den Tatort inspizierten, war der Leiter der Spurensicherung in Lysekil, Agne Knutsson. Er sah die Leichen in den Kabinen und Fluren, Mütter mit Kindern in ihren Armen, Paare, Alleinreisende. Während die einen im Schlaf vom tödlichen Rauch erwischt wurden, hatten andere noch vergeblich versucht, den Weg an Deck finden. Nachdem Knutsson seine Inspektion abgeschlossen hatte, war auch er überzeugt, dass jemand das Schiff angezündet hatte. Doch von wem und warum, das war so kurz nach der Katastrophe völlig unklar.

Umso erstaunter war Knutsson, als seine norwegischen Kripo-Kollegen binnen weniger Tage einen Täter präsentierten: Erik Mørk Andersen aus Århus, einen gelernten Kraftfahrer. Der 37-jährige Däne, der bei dem Brand starb, hatte sich an Bord der Fähre offenbar verdächtig verhalten. Und er war aktenkundig – ein verurteilter Brandstifter.

Folgendes spielte sich nach Meinung der norwegischen Ermittler in der Brandnacht ab: Andersen sei beim Kontaktversuch in der Borddiskothek mehrfach bei den Damen abgeblitzt und habe daraufhin in einem Anflug von blindwütiger Raserei als Erstes seine Kabine zerlegt. Zeuginnen wurden benannt, die Andersen dann zur Tatzeit dabei beobachtet haben wollen, wie er eine Treppe vom dritten Schiffsdeck hinaufrannte, aus dem wenige Augenblicke später die Flammen schlugen.


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mare No. 102

No. 102Februar / März 2014

Von Lasse Bremsteller

Lasse Bremsteller, Jahrgang 1964, freiberuflicher Journalist in Lübeck, ist in Stockholm aufgewachsen und war deswegen ein halbes Leben lang Stammgast auf Fähren. Den umstrittenen Kriminalfall um die „Scandinavian Star“ verfolgt er seit mehr als acht Jahren.

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Vita Lasse Bremsteller, Jahrgang 1964, freiberuflicher Journalist in Lübeck, ist in Stockholm aufgewachsen und war deswegen ein halbes Leben lang Stammgast auf Fähren. Den umstrittenen Kriminalfall um die „Scandinavian Star“ verfolgt er seit mehr als acht Jahren.
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Vita Lasse Bremsteller, Jahrgang 1964, freiberuflicher Journalist in Lübeck, ist in Stockholm aufgewachsen und war deswegen ein halbes Leben lang Stammgast auf Fähren. Den umstrittenen Kriminalfall um die „Scandinavian Star“ verfolgt er seit mehr als acht Jahren.
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