Dem Retter sei Dank

Votivschiffe, kostbare Opfergaben zum Dank an Gott für eine Rettung, sind in nördlichen Kirchen oft zu finden. Sie alle erzählen von schrecklichen

Das Schiff, das die Diebe an einem helllichten Tag im Jahr 1971 in Arnis kaperten, war nie zur See gefahren. Es hing unter der Decke der kleinen Schifferkirche im 300-Seelen-Dorf an der Schlei. Bis heute sind in dem schlichten protestantischen Gotteshaus aus dem 17. Jahrhundert noch vier seiner Art zu bestaunen, darunter ein dreimastiges Linienschiff mit zwei Kanonendecks, Galions­figur und voller Besegelung und die 1770 von Kapitän Hans Haack gefertigte Dreimastgaleote „Privilegia“. Das schönste Votivschiff der Schifferkirche zu Arnis, die „Ansul Arnis“, wird mittlerweile vorsichtshalber im Schleswiger Landesmuseum ausgestellt.

Votivgaben sind Dankesbezeugungen an Gott, weil er den Schenkenden gemäß dessen Glauben aus der Not gerettet hat. In einer bedrohlichen Situation hat der Votant das Gelübde abgelegt, Gott zu Ehren einen besonderen Gegenstand einer Kirche zu übereignen. Man kennt solche Gaben in Form von Bildern oder Schmuck. Doch was liegt für einen Seemann in Seenot näher, als Gott ein Schiffsmodell zu versprechen? Wieder sicher an Land, baute er es meist selbst, um es in der Kirche seines Wohnorts aufzuhängen. Als ältestes heute bekanntes Votivschiff galt lange das Mataró-Modell, dessen Entstehungszeit zwischen 1380 und 1450 datiert wird und das früher in einem Kloster im katalanischen Mataró gehangen haben soll. Heute steht es in einem Glaskasten im Maritimen Museum im niederländischen Rotterdam. Es fasziniert nicht nur wegen seines Alters, sondern vor allem wegen Details wie dem Krähennest oder dem bärtigen Knecht auf dem Vorderkastell.

Das betagte Modell ist in den Niederlanden eine Seltenheit; der strenge Calvinismus, der das Land prägte, untersagte lange solche Gaben. Die Modelle, die  dort Kirchen zieren, entstanden größtenteils erst nach 1900, wie jene 21 stolzen Schiffe, die sich auf die insgesamt 17 Kirchen von Urk in der Provinz Flevoland verteilen. In Dänemark dagegen kommt kaum eine Kirche an der Küste ohne Schiff aus. Es wundert daher nicht, dass das erste große Standardwerk zu Votivschiffen, Henning Henningsens „Kirke­skibe og kirkeskibsfester“ (dt. Kirchenschiffe und Kirchenschifffeste), 1950 dort veröffent­licht wurde. Akribisch listete der Direktor des Handels- und Seefahrtsmuseums auf Schloss Kronborg in Helsingør jedes Schiff auf, selbst die verschwundenen Exemplare. Er kam auf fast 900 Schiffe in Nord- und Südschleswig.

Sein Buchtitel weist auf zweierlei hin. Henningsen spricht nicht von Votivschiffen, sondern von Kirchenschiffen. Auch andere Autoren nutzen diesen Begriff, weil der Votivcharakter, also Gelübde und Schenkung aus der Not heraus, sich in evangelischen Ländern kaum nachvollziehen lässt. In katholischen Ländern sind die meisten Schiffe hingegen sehr wohl Votivgaben, und möglicherweise hat man diesen Brauch im evangelischen Einflussbereich übernommen, ohne zu sehr auf den Votivgedanken zu achten. Es wurden aber auch einige Schiffe gestiftet, weil sich eine Gilde verewigen wollte, ein historisches Ereignis gewürdigt werden sollte oder man schlicht den Kirchenraum schmücken wollte. Henning Henningsen erwähnt in seinem Buchtitel außerdem die „kirke­skibs­fester“. Damit sind feierliche Zeremonien gemeint, in denen die Schiffe in einer Art Prozession, begleitet von einem Spielmannszug und vielen Schau­lustigen, von der Werkstatt zur Kirche getragen und dort aufgehängt wurden. Diese Art Taufe der Schiffsmodelle ist eine dänische Tra­dition, die es andernorts nur vereinzelt ge­geben hat.

Zuweilen steckt im Inneren des Schiffes ein Papier, das den Schenkenden samt Anlass verzeichnet. In diesem ist auch  von der Dramatik zu lesen, die hinter  den meisten Schiffsmodellen steckt. Das namenlose Schiff im jütischen Kværs baute und schenkte ein Mann, der an seinen Sohn erinnern wollte, der auf See umgekommen war. Im nicht weit entfernten Harte hängt die „Norge“. Ein späterer Oberarzt erhielt von einem Kameraden einen Schiffsrumpf. Den konnte er zu- nächst nicht weiterbauen, weil er an Gicht erkrankte. Erst nach längerer Rekonvaleszenz in Norwegen gelang ihm die Vollendung. Aus Dank gab er dem Schiff den Namen des Landes.


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mare No. 120

No. 120Februar / März 2017

Von Jan Scherping

Autor Jan Scherping hat sein Interesse für Votivschiffe eher zufällig entdeckt. Bei einem Besuch der St.-Marien-Kirche in Rostock konnte er den Blick nicht mehr von dem im Chorumgang hängenden Schiff „Carl Friedrich“ wenden und staunte über die Leichtigkeit, die es dem sakralen Raum verlieh. Seither hat er viele Kirchen an den Küsten von Nord- und Ostsee besucht, immer auf der Suche nach dem schönsten Schiff.

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Vita Autor Jan Scherping hat sein Interesse für Votivschiffe eher zufällig entdeckt. Bei einem Besuch der St.-Marien-Kirche in Rostock konnte er den Blick nicht mehr von dem im Chorumgang hängenden Schiff „Carl Friedrich“ wenden und staunte über die Leichtigkeit, die es dem sakralen Raum verlieh. Seither hat er viele Kirchen an den Küsten von Nord- und Ostsee besucht, immer auf der Suche nach dem schönsten Schiff.
Person Von Jan Scherping
Vita Autor Jan Scherping hat sein Interesse für Votivschiffe eher zufällig entdeckt. Bei einem Besuch der St.-Marien-Kirche in Rostock konnte er den Blick nicht mehr von dem im Chorumgang hängenden Schiff „Carl Friedrich“ wenden und staunte über die Leichtigkeit, die es dem sakralen Raum verlieh. Seither hat er viele Kirchen an den Küsten von Nord- und Ostsee besucht, immer auf der Suche nach dem schönsten Schiff.
Person Von Jan Scherping