Das Salz muss weg

Trinkwasser ist knapp. Forscher und Unternehmer in aller Welt suchen daher nach immer neuen Wegen, das Meerwasser vom Salz zu befreien

In ein paar Jahren will Staby seine millionenschwere Hoffnung im Meer versenken. Mitten im Atlantik, irgendwo vor den Kapverden. Sie sieht aus wie ein Stück Berliner Mauer: ein großer, rechteckiger Körper aus weißem Verbundstoff, acht Meter lang und siebeneinhalb Meter hoch, mit einem dicken Auswuchs auf der Oberkante. Wave2O nennt Staby, Chef der US-Firma Resolute Marine Energy, seine fast fünf Tonnen schwere Erfindung.

„Wave2O ist die weltweit erste Entsalzungsanlage, die direkt mit Wellenenergie betrieben wird“, sagt Staby. Einen Prototyp hat der 63-jährige ehemalige Wall-Street-Banker bereits vor der Küste des US-Bundesstaats North Carolina erfolgreich getestet. In ein paar Meter Tiefe wiegt sich Wave2O durch den Druck der Wellen hin und her und treibt so zwei kleine Pumpen am Sockel an. Mit dem dort erzeugten hydraulischen Druck wird an Land Meerwasser in große Flaschen gepresst. Anschließend wird das unter Druck stehende Wasser mithilfe einer Membran gefiltert.

Staby will mit seiner Firma dazu beitragen, eines der größten Rätsel der Menschheit zu lösen: Wie lässt sich in großem Stil Meerwasser in Trinkwasser umwandeln? Vor Jahrzehnten schon konnten Menschen zum Mond fliegen, wir lassen Protonen bei Lichtgeschwindigkeit aufeinanderknallen – schaffen es aber nicht, in großen Mengen das Salz aus dem Meerwasser herauszufiltern. 650 Millionen Menschen haben weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Aber entsalztes Meerwasser deckt bislang gerade einmal 0,7 Prozent der weltweiten Wassernachfrage ab. Warum gibt es dieses extreme Missverhältnis?

Molly Walton hat keine kurze Antwort auf diese Frage. Es sei „ein komplexes Thema“, sagt die Analystin der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris, die dort den Bereich Wasser und Energie leitet. Zwar könnten viele Länder ihren Bedarf über Süßwasser aus Flüssen, Seen, Brunnen und Recyclinganlagen decken. „Aber die Wasserversorgung ist immer auch eine lokale Frage.“

Meerwasserentsalzung ist daher nur in Ländern sinnvoll, die Zugang zum Meer haben und die sich die Entsalzung leisten können. Denn Meerwasserentsalzung ist sehr energieaufwendig – und damit teuer. Lässt man Wasser verdampfen, wie man es etwa in sogenannten Multi-Stage-Flash-Anlagen macht, braucht man im Schnitt umgerechnet 25 Kilowatt Strom, um nur einen Kubikmeter, also 1000 Liter, zu entsalzen. Presst man es mit hohem Druck von 65 Bar – ein Autoreifen benötigt etwa zwei Bar – durch Umkehrosmosemembranen und hält so das Salz zurück, sind es immer noch zwischen 3,5 und 5,5 Kilowatt Strom je Kubikmeter. Wüstenstaaten am Persischen Golf haben ein riesiges Wasserproblem. Doch sie sitzen auf milliardenschweren Öl- und Gasvorkommen und können sich kostspielige Entsalzungsanlagen leisten.

Abgelegene Inseln und ärmere Länder haben solche Möglichkeiten nicht. Ein Beispiel sind die Kapverden, auf die es Wellentechniker Staby abgesehen hat. 85 Prozent des Wasserbedarfs deckt der Inselstaat mit Entsalzungsanlagen ab. Sie müssen mit teuer importiertem Diesel betrieben werden. Die durchschnittlichen Wasserkosten liegen laut Staby bei 4,42 Dollar je Kubikmeter und seien mit die höchsten weltweit. „Unsere Wellentechnologie wird dreimal so günstig sein“, schätzt er.

Ähnlich optimistisch klingen seine Gewinnprognosen. Bereits 2021 will das Unternehmen „signifikante Gewinne“ ausweisen, in einer Broschüre werden sogar 25 Millionen US-Dollar prognostiziert. „Ohne Gewinnaussichten für Investoren werden wir das Weltwasserproblem niemals lösen“, sagt Staby. In den kommenden Jahren sollen die ersten Wave2O-Anlagen jeden Tag 500 Kubikmeter Trink- wasser produzieren.

Auf der anderen Seite der Erde, vor der Westküste Australiens, sind Wellenspezialisten bereits einen Schritt weiter. Hier liegt Garden Island, ein zehn Kilometer langes Naturparadies mit weißem Sandstrand. Der Zugang ist streng reguliert, denn die Insel ist Stützpunkt von Australiens größter Militärflotte. In den Gewässern passierte bis vor Kurzem Futuristisches: Für eine Testphase schwammen direkt unter der Oberfläche drei auf dem Meeresboden verankerte Bojen mit einem Durchmesser von sieben Metern. Durch das Auf und Ab der Wellen trieben die Schwimmballone eine Pumpe an, mit deren Hilfe auf Garden Island Ökostrom erzeugt wurde. Dieser wiederum wurde für eine Meerwasserentsalzungsanlage eingesetzt, die das Militär mitversorgte. Kosten: rund 100 Millionen US-Dollar.

„Zum ersten Mal wurde in Australien Strom aus Wellenenergie ins Netz eingespeist und zur Wasserentsalzung genutzt“, ließen die Macher der Firma Carnegie Clean Energy zum Teststart verlautbaren. Inzwischen arbeiten sie an der nächsten Generation. Die Kapazität der Schwimmballone soll auf 1,5 Megawatt erhöht werden. Zum Vergleich: Ein Offshorewindrad in der Nordsee hat inzwischen eine Nennleistung von etwa fünf Megawatt.


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mare No. 128

Juni / Juli 2018

Von Marlies Uken

Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, war überrascht, dass sogar der US-Bundesstaat Arizona, der keinen Zugang zum Meer hat, den Einstieg in die Meerwasserentsalzung erwägt. Die Amerikaner wollen entweder unterirdisches Brackwasser entsalzen oder sogar gemeinsam mit Mexiko eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen.

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Vita Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, war überrascht, dass sogar der US-Bundesstaat Arizona, der keinen Zugang zum Meer hat, den Einstieg in die Meerwasserentsalzung erwägt. Die Amerikaner wollen entweder unterirdisches Brackwasser entsalzen oder sogar gemeinsam mit Mexiko eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen.
Person Von Marlies Uken
Vita Marlies Uken, Jahrgang 1977, Journalistin in Berlin, war überrascht, dass sogar der US-Bundesstaat Arizona, der keinen Zugang zum Meer hat, den Einstieg in die Meerwasserentsalzung erwägt. Die Amerikaner wollen entweder unterirdisches Brackwasser entsalzen oder sogar gemeinsam mit Mexiko eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen.
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