Das Meer, ihr Leben

Seit vielen Jahren fährt der Berliner Fotograf nach Kanada, um dort Menschen bei ihrer Arbeit zu porträtieren. Vor allem haben es ihm die Berufe angetan, die mit dem Meer zu tun haben

Janet Davis

Meereskünstlerin

Zwei Jahre fuhr Janet Davis mit ihrem Vater zur See. Dann kehrte die Kapitänstochter zurück nach Brookfield, Neufundland, wo sie sich ganz ihrer Berufung widmet: Sie stellt Druckgrafiken mit maritimen Motiven her. Auf der Suche nach einem Atelier rettete sie zwei typische Neufundland-Häuser vor dem Abriss. In einem befindet sich ihre Druckwerkstatt, im anderen ein Café, das sie selbst betreibt. Ihr Espresso ist, sagen die Leute, der beste in der Gegend.

Gordon Humphries

Fischesammler

Die „Brother’s Legacy“ sammelt in der Bonavista Bay, Neufundland, die Fänge der Fischer ein. Ihr Kapitän, Donald Barbour, kennt die Region seit Kindertagen. „Es ist, als würde ich in meinem Vorgarten herumfahren.“ Der Arbeitstag beginnt im ersten Morgenlicht. Seit Jahren ist Crewmitglied Gordon Humphries mit an Bord.

Hailey Cole

Muschelverpackerin

Die Prince-Edward-Insel liegt im Osten Kanadas im Sankt-Lorenz-Golf und ist die kleinste Provinz des Landes. Weil das Eiland so grün ist, nennen die Kanadier es gern den „Garten des Golfs“. 1997 wurde eine Brücke zum Festland eröffnet, die Confederation Bridge, ein Meilenstein in der Geschichte der Insel. Allein im ersten Jahr nach Inbetriebnahme verdoppelte sich fast die Zahl der Touristen. Auch andere Wirtschaftszweige erlebten einen Boom, weil ein kontinuierlicher Güterverkehr möglich geworden war. Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist die Muschelzucht, die in der New London Bay betrieben wird. Das Aquafarming dort besteht aus mehreren Komplexen: Es gibt die eigentliche Zuchtfabrik, von wo aus die Miesmuscheln, wenn sie fingernagelgroß sind, zur socking factory gebracht werden. Dort verpacken Arbeiter die jungen Muscheln in elastische Netzstrümpfe. Diese werden in die Bucht hinausgefahren, wo man die Muscheln schließlich zum Wachsen ins Meer hängt. Hailey Cole arbeitet in der socking factory, deren Gebäude auf dem New London Dock stehen. Viel Auswahl an Arbeit gebe es auf der Insel für Frauen nicht, sagt sie. „Ich arbeite hier, weil ich eben einen Job machen muss.“ Wichtiger ist ihr das eigene Rennpferd, das sie auf der Red-Shores-Rennbahn in Summerside laufen lässt.

John Paul Lecuyer

Schlepperkapitän

Paul Lecuyer und seine beiden Söhne Steven und John Paul (Bild rechts) betreiben eines der beiden verbliebenen Schlepperunternehmen für See- und Hochseefrachter im Hafen von Thunder Bay, Ontario. Thunder Bay liegt am Oberen See, von dem aus man über die anderen Großen Seen und den Sankt-Lorenz-Strom bis zum Atlantik gelangt. Die Lecuyers besitzen drei Schlepper, die alle in den 1940er- Jahren gebaut wurden. Paul Lecuyers Liebling, die „Peninsula”, ein ehemaliges Militärschiff, fuhr schon im Zweiten Weltkrieg und überquerte einmal den Atlantik. Das Geschäft mit den Schleppern ist schwierig geworden. Kanadisches Getreide wird mittlerweile oft über den Hafen von Prince Rupert in British Columbia verschifft – die Frachtzüge fahren von den riesigen Weizen-, Raps- und Linsenanbaugebieten in der Prärie deshalb immer häufiger an die Westküste des Kontinents und seltener nach Osten, nach Thunder Bay. Bei den noch verbliebenen Verladungen ist der Service der Lecuyers manchmal trotzdem nicht mehr gefragt, weil heutzutage viele Frachter ohne Schlepper manövrieren können. Um das Einkommen zu bestreiten, haben die Lecuyers Zweitjobs. Steven ist Industrietaucher, sein Bruder John Paul arbeitet für den Milchhof mit 60 Kühen, den die Familie betreibt.


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mare No. 127

April / Mai 2018

Von Martin Weinhold

Seit 2006 fährt Martin Weinhold, Jahrgang 1971, Fotograf in Berlin, jedes Jahr für mehrere Monate nach Kanada, um dort Menschen zu fotografieren. Sein Ziel: ein Porträt des Landes unter dem Blickwinkel der Arbeit. Inspiriert von einem Werk der politischen Theoretikerin Hannah Arendt (Vita activa oder Vom tätigen Leben, 1960) und begeistert von den Menschen in Kanada, ist aus seinem Projekt „WorkSpace Canada“ längst eine Mission geworden, eine Lebensaufgabe. Die Kollektion zeigt bereits mehr als 200 Berufsfelder und Orte, von Kanadas Süden an der Grenze zu den USA bis zur nördlichen Hudson Bay, von der östlichsten Spitze Neufundlands bis zu den Inseln im Pazifik.

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Vita Seit 2006 fährt Martin Weinhold, Jahrgang 1971, Fotograf in Berlin, jedes Jahr für mehrere Monate nach Kanada, um dort Menschen zu fotografieren. Sein Ziel: ein Porträt des Landes unter dem Blickwinkel der Arbeit. Inspiriert von einem Werk der politischen Theoretikerin Hannah Arendt (Vita activa oder Vom tätigen Leben, 1960) und begeistert von den Menschen in Kanada, ist aus seinem Projekt „WorkSpace Canada“ längst eine Mission geworden, eine Lebensaufgabe. Die Kollektion zeigt bereits mehr als 200 Berufsfelder und Orte, von Kanadas Süden an der Grenze zu den USA bis zur nördlichen Hudson Bay, von der östlichsten Spitze Neufundlands bis zu den Inseln im Pazifik.
Person Von Martin Weinhold
Vita Seit 2006 fährt Martin Weinhold, Jahrgang 1971, Fotograf in Berlin, jedes Jahr für mehrere Monate nach Kanada, um dort Menschen zu fotografieren. Sein Ziel: ein Porträt des Landes unter dem Blickwinkel der Arbeit. Inspiriert von einem Werk der politischen Theoretikerin Hannah Arendt (Vita activa oder Vom tätigen Leben, 1960) und begeistert von den Menschen in Kanada, ist aus seinem Projekt „WorkSpace Canada“ längst eine Mission geworden, eine Lebensaufgabe. Die Kollektion zeigt bereits mehr als 200 Berufsfelder und Orte, von Kanadas Süden an der Grenze zu den USA bis zur nördlichen Hudson Bay, von der östlichsten Spitze Neufundlands bis zu den Inseln im Pazifik.
Person Von Martin Weinhold