„Das innere Hören möglich machen“

Der Theologe und Benediktiner Pater Petrus Nowack über die Dichotomie von Gemeinschaft und Einsamkeit

mare: Die Soziologie sagt: Einsamkeit ist ein Mangel, eine Normabweichung. Die Philosophie und Psychologie können der Einsamkeit durchaus Gutes abgewinnen. Was sagt eigentlich die Theologie dazu?

Pater Petrus: Schon in der Bibel heißt es: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei. Isolation gilt ja nicht umsonst als eine besonders unmenschliche Form der Be- strafung. Gemeinschaft ist die Grunderfahrung des Menschen, sie ist elementar. Vor allem aber resultiert Gemeinschaft aus der anderen Grunderfahrung der Sprache – und das ist ja etwas, das es nicht allein gibt. Eine theologische Veranlassung zur Einsamkeit kann ich nicht erkennen. Was das Mönchtum angeht, so war es immer eher auf Gemeinschaft als auf Abgeschiedenheit angelegt. Hier im Kloster Maria Laach ist man dauernd von Menschen umgeben.

Wo verläuft denn die Grenze zwischen Einsamkeit und Alleinsein?

Die Empfindung von Einsamkeit ist komplementär zum gemeinschaftlichen Leben, eine scheinbar widersprüchliche, aber un- abdingbare Ergänzung. Einsamkeit kann man allein auf dem Meer oder in einem Leuchtturm ebenso spüren wie in einer Gemeinschaft oder in einer großstädtischen Umgebung, auch in einem Kloster. Man ist allein, aber man fühlt sich einsam – das erste ist ein physisches Faktum, das zweite ein emotionales. Das ist ein Unterschied, wenngleich die Abgrenzung wohl individuell empfunden wird.

Wie können uns Einsamkeit und Alleinsein nützen?

Etwa als ein Hilfsmittel, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Denken Sie an den Beginn des eremitischen Lebens, an die Wüstenmönche des dritten Jahrhunderts – sie zog es in die Wüste, um in besonderer Weise Gott zu suchen. Entscheidend war nicht der positive Wert ihres Alleinseins, sondern, Erfahrungen zu machen, die sie sonst nicht machen konnten. Ein Weltraumteleskop baut man ja auch in die tiefste Dunkelheit von Wüsten und Gebirgen – nicht weil die Dunkelheit an sich gut ist, sondern weil sie hilft, besser zu sehen. Und wenn Sie einen Aufsatz zu schreiben haben, dann gehen Sie in Klausur, in Verschluss, wie es übersetzt heißt, an einen Ort ohne Ablenkung oder Anfechtung.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 107. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 107

No. 107Dezember 2014 / Januar 2015

Ein Interview von Karl Spurzem

Pater Petrus Nowack OSB, Jahrgang 1956, trat bereits nach dem Abitur in Frankfurt in den Benediktinerorden ein. Der Verlegersohn studierte Katholische Theologie in Trier und Salzburg. Pater Petrus ist seit 2002 Prior der Benediktinerabtei Maria Laach und leitet die Klosterbibliothek. Sie zählt zu den bedeutendsten Privatbibliotheken Europas.

Mehr Informationen
Vita Pater Petrus Nowack OSB, Jahrgang 1956, trat bereits nach dem Abitur in Frankfurt in den Benediktinerorden ein. Der Verlegersohn studierte Katholische Theologie in Trier und Salzburg. Pater Petrus ist seit 2002 Prior der Benediktinerabtei Maria Laach und leitet die Klosterbibliothek. Sie zählt zu den bedeutendsten Privatbibliotheken Europas.
Person Ein Interview von Karl Spurzem
Vita Pater Petrus Nowack OSB, Jahrgang 1956, trat bereits nach dem Abitur in Frankfurt in den Benediktinerorden ein. Der Verlegersohn studierte Katholische Theologie in Trier und Salzburg. Pater Petrus ist seit 2002 Prior der Benediktinerabtei Maria Laach und leitet die Klosterbibliothek. Sie zählt zu den bedeutendsten Privatbibliotheken Europas.
Person Ein Interview von Karl Spurzem