Das Imperium des Capitano

Kapital ist ein scheues Reh: das geheime Reich des Gianluigi Aponte, Chef der MSC, der größten Reederei der Welt

Schüchtern steht sie da, auf der riesigen Bühne vor dem noch ­riesigeren Kreuzfahrtschiff. Asya Aponte, ein junger, schmaler Teenager, streicht sich verlegen die langen Haare aus dem Gesicht, Großvater Gianluigi Aponte hält sie fest umarmt. Ein kurzes, stolzes Lächeln. An diesem Novembertag 2017 übernimmt seine Reederei MSC das Kreuzfahrtschiff „Seaside“ auf einer Werft in Italien. Enkelin Asya, bereits Namensgeberin für ein Hafenterminal in der Türkei und ein Containerschiff, lässt die Champagnerflasche gegen den Rumpf knallen. Lamettaregen und Applaus. Mitten im Publikum: Großmutter, Tochter und Schwiegertochter. Und natürlich Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella, wie ein YouTube-Video zeigt. Willkommen im Family business der Apontes. 

Im Clan von Gianluigi Aponte hat jedes Familienmitglied seine Rolle. Mit dieser Arbeitsaufteilung hat er in nur 53 Jahren den größten Reedereikonzern der Welt geschaffen. Seine Tochter Alexa Aponte-Vago ist Finanzchefin, Sohn Diego ist Group President. Schwiegersohn Pierfrancesco Vago leitet als geschäftsführen­der Vorsitzender das Kreuzfahrtbusiness, Schwiegertochter Elâ Aponte ist Senior Vice President. Und Oma Rafaela ist berüchtigt dafür, am Innendesign der Kreuzfahrtschiffe mitzuwirken, wie ein Branchenkenner es süffisant formuliert. Selbst die vierjährige Enkelin Zoe taufte schon ein Containerschiff auf ihren Namen, mit einem rosa-weißen Kuscheltier im Arm. 

Und Aponte selbst, welche Rolle spielt er? „Ich bin für alles zuständig und habe das letzte Wort“, sagte er vor fünf Jahren in einem seiner seltenen Interviews. Offiziell ist Aponte, ein gelernter Kapitän, der Group Chairman. 

MSC, die Mediterranean Shipping Company, mit Sitz im exklusiven Stadtteil Eaux-Vives in Genf, ist mittlerweile ein Konzern der Superlative. Er besitzt die größte Handelsflotte der Welt (645 Containerschiffe) und das größte Containerschiff der Welt (die „MSC Tessa“, rund 400 Meter lang). Die Experten der Beratungs­agentur Vessels Value aus London schätzen den Wert aller Container- und Kreuzfahrtschiffe der MSC-Flotte (inklusive der Neubaubestellungen) auf unglaubliche 34,5 Milliarden US-Dollar. Dazu kommt ein weitverzweigtes Konglomerat aus Beteiligungen an Hafenterminals, Fähr- und Schleppreedereien und Krankenhausbetreibern. Nicht zu vergessen die künstliche Privatinsel Ocean Cay in der Karibik.

An Geschäftszahlen ist allerdings kaum zu kommen, die Firma ist nicht ­börsennotiert, regelmäßige Jahresberichte gibt es nicht, bis auf Nachhaltigkeits­berichte. Selbst der sonst gut informierte Branchendienst „Alphaliner“ kann nur schätzen. Dessen Fachleute halten einen Firmengewinn von 35 bis 40 Milliarden Euro für möglich – allein im Jahr 2022. Das Schweizer Magazin „Bilanz“ verortetete vergangenes Jahr Aponte auf Platz sechs der reichsten Schweizer, der „TagesAnzeiger“ aus Zürich vermutet ihn sogar unter den zehn reichsten Menschen der Welt, direkt hinter Bill Gates. 

Über den Gründer, Kapitän Gianluigi Aponte, ist kaum etwas bekannt. Inzwischen ist er 82 Jahre alt, die jüngsten Pressebilder von 2022 zeigen einen kleinen, elegant gekleideten Herrn. Graues Haar, strenger Seitenscheitel, die Mundwinkel öfter nach unten als nach oben gezogen. „Ich kenne keinen, der so geheimnisvoll ist“, raunt jemand aus Hamburg, der „auf gar keinen Fall“ namentlich genannt werden möchte, den Patriarchen aber schon getroffen hat und im Gespräch mehrmals nachschiebt: „Er ist ein wahnsinnig sympathischer Mann.“ 

Interviews gibt die Aponte-Familie nur extrem selten, ganz selten taucht das Familienoberhaupt in italienischen oder französischen Zeitungen auf, um seinem Ärger über irgendeine industriepolitische Entscheidung Luft zu machen. Auch für diesen Artikel lehnte MSC nach diversen Anfragen ein Interview ab, aus Termingründen. Fragen wurden schriftlich beantwortet, aus einem Telefonat mit einem Pressesprecher darf nicht zitiert werden.

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mare No. 158

mare No. 158Juni / Juli 2023

Von Marlies Uken und Sonny Liew

Über seine Luxusliner spricht MSC sehr gern in der Öffentlichkeit. Die Reederei ermöglichte es Marlies Uken, Jahrgang 1977, Autorin in Berlin, sogar, bei der Schiffstaufe der „MSC Grandiosa“ in Hamburg dabei zu sein. Die Familie aber ist tabu. Sechs Jahre lang bat die Autorin immer wieder um ein Interview mit einem Mitglied der Aponte-Familie – vergeblich.

Sonny Liew, geboren 1974, Comickünstler in Singapur, zeichnete Aponte für den Newsletter „Whale Hunting“.

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Vita

Über seine Luxusliner spricht MSC sehr gern in der Öffentlichkeit. Die Reederei ermöglichte es Marlies Uken, Jahrgang 1977, Autorin in Berlin, sogar, bei der Schiffstaufe der „MSC Grandiosa“ in Hamburg dabei zu sein. Die Familie aber ist tabu. Sechs Jahre lang bat die Autorin immer wieder um ein Interview mit einem Mitglied der Aponte-Familie – vergeblich.

Sonny Liew, geboren 1974, Comickünstler in Singapur, zeichnete Aponte für den Newsletter „Whale Hunting“.

Person Von Marlies Uken und Sonny Liew
Vita

Über seine Luxusliner spricht MSC sehr gern in der Öffentlichkeit. Die Reederei ermöglichte es Marlies Uken, Jahrgang 1977, Autorin in Berlin, sogar, bei der Schiffstaufe der „MSC Grandiosa“ in Hamburg dabei zu sein. Die Familie aber ist tabu. Sechs Jahre lang bat die Autorin immer wieder um ein Interview mit einem Mitglied der Aponte-Familie – vergeblich.

Sonny Liew, geboren 1974, Comickünstler in Singapur, zeichnete Aponte für den Newsletter „Whale Hunting“.

Person Von Marlies Uken und Sonny Liew