Beliebte Galgenvögel

Welche Piratenbücher hält der Buchmarkt bereit?

Piraten und Meuterer
Eine fünfbändige Buchkassette aus der Edition Erdmann, Stuttgart 1997, 189 Mark

Bücher, die man gerne in die Hand nimmt: Wer eine romantische Ader hat für die Zeit, da der Globus noch weiße Flecken hatte, die der Entdeckung harrten und in der die Seefahrt noch wahre Abenteuer bot, und wer die Geschichten aus dieser aufregenden Zeit im Original nachlesen will, dem liefert seit den 70er Jahren (als noch Wenigen der Sinn danach stand) die Edition Erdmann aus dem Thienemanns-Verlag trefflichste wie authentische Lektüre: Jede Menge zeitgenössische Literatur, liebevollst nachgedruckt sowie mit Stichen und anderen Illustrationen aufgemacht – auch vom haptischen Eindruck her ist es, als hielte man das Original in der Hand. Ende des vergangenen Jahres nun kam Erdmann mit seiner Kassette „Piraten und Meuterer“ heraus:

Meuterei auf der Bounty und die Piratenjagd der Pandora
Käpt’n Bligh persönlich führt in seinem Logbuch das Wort und straft all jene Lügen, die meinen, die Meuterer um Fletcher Christian seien im Recht gewesen. Außerdem kommt George Hamilton, Schiffsarzt auf der „Pandora“, jenem Schiff, das die „Bounty“-Meuterer rund um den Globus jagte, zu Wort. Er schildert die sehr turbulente Rückfahrt mit den wenigen Galgenvögeln, derer man im Pazifik habhaft werden konnte.

Freibeuter
Von William Dampier. Tagebuch über seine Piratenfahrt rund um die Welt. Nach Dampiers Rückkehr 1691 fand die britische Regierung seine Schrift derart interessant, daß sie darauf verzichtete, ihn zum Tode zu verurteilen. Statt dessen erhielt er den lukrativen Forschungsauftrag zur Erkundung Australiens.

Das Piratenbuch von 1678
Von Alexandre Olivier Exquemelin. Das klassische Buch über die Piraterie des 17. Jahrhunderts in ihren Hochburgen der Karibik: Kuba, Haiti, Jamaica und Tortuga. Von einem, der es wissen muß: Exquemelin war von 1666 bis 1672 selbst an Beutezügen vor Ort beteiligt.

Gefangen unter Korsaren
Deutsche Seeleute in der Gefangenschaft algerischer Seeräuber. Von Johann Michael Kühn u. a. Wie berechtigt die Angst Goethes auf seiner Mittelmeerreise 1787 war, sein Schiff könnte von Piraten überfallen werden, zeigen die Berichte dreier Reisender aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die alle in die Fänge von Seeräubern gerieten und in Algier als Sklaven gefangengehalten wurden.

Sir Francis Drake. Pirat im Dienst der Queen
Der berühmteste Freibeuter des 16. Jahrhunderts in der kritischen Sicht mehrerer Zeitgenossen. Bis auf „Gefangen unter Korsaren“ sind die Bücher seit einiger Zeit auch einzeln im Verlagsprogramm. Einzelpreis: 42 Mark. Zwischen 267 und 350 Seiten. In der Kassette ist zusätzlich noch das Einführungsbüchlein „Freibeuter, Piraten und Korsaren“ über die historische Seeräuberei in Literatur und Wirklichkeit von Heinrich Pleticha.


Störtebekers Gold
Roman von Thomas Einfeld. 450 Seiten, Kabel-Verlag, Hamburg 1997, 39,90 Mark.

Ein Buch, nach dessen Lektüre mancher auf Schatzsuche gehen wird.


Piraten. Furcht und Schrecken auf den Weltmeeren
Von David Cordingly (Hg.). 256 Seiten Farbbild- und Textband. Ausführliches Register. vgs-Verlag, Köln 1997, 68 Mark.

Ein wunderschöner Schmuckband mit zeitgenössischen Malereien, Karten und Stichen, in dem auch die heutige Situation in den Archipelen Südostasiens und vor Südamerika berücksichtigt wird. Eine ausführliche Rezension findet sich in mare No. 6 auf der Seite 110.


Eine allgemeine Geschichte der Piraten
Von Daniel Defoe. 223 Seiten, einige Illustrationen. Waxmann-Verlag, Münster 1996, 38 Mark (Nachdruck des ursprünglich 1724 erschienenen Buches).

In einer Paperback-Ausgabe wurde der Klassiker der Piratenliteratur vor zwei Jahren wieder aufgelegt. Defoe hat die Biographie der damals berühmtesten englischen Piratenköpfe von Blackbeard bis Mary Read nachgezeichnet. Und zwar in einem nüchternen und akribischen, fußnotengetränkten Stil, der die andere Seite des Robinson-Autors deutlich macht, nämlich die des Gerichtsreporters, Historiographen und Erforschers der Zeit-geschichte.


Die Mäusepiraten
Von Erwin Moser. Ab 4 Jahre. 30 Seiten mit schönen bunten Bildern. Beltz-Verlag, Weinheim und Basel 1997, 3 Mark.

Die Mäuse Daniel und Edgar ziehen als Piraten aufs Meer, betätigen sich aber eher als Seenotrettungsdienst. Einen schiffbrüchigen Bären nehmen sie auf und sogar zwei Katzen…


Der Meuterer. Leben und Irrfahrten des Fletcher Christian nach dem Aufstand auf der Bounty
Roman von William Kinsolvig. 494 Seiten, Europaverlag, München 1996, 46 Mark.

Wenn einer der berühmteste Meuterer der Weltgeschichte war, ist es nur allzu verständlich, daß sich nach dessen Tod die wildesten Gerüchte um seine Person ranken. Kam Fletcher Christian, nachdem die „Bounty“ in Brand gesteckt war, noch einmal herunter von Pitcairn (man wollte ihn sogar in London gesehen haben, siehe S. 98)? Wohl kaum. Aber gesetzt den Fall, das doch: Kinsolvig spinnt die Idee einfach weiter und malt in seinem Roman ein überaus spannendes Bild der Gesellschaft, Politik, Obrigkeit und Seefahrt aus der Zeit um 1800.


Psychologie an Bord
Von Michael Stadler. 162 Seiten, Delius und Klasing-Verlag, Bielefeld 1994, 19,80 Mark.

Der Autor, Professor für experimentelle Psychologie an der Universität Bremen und passionierter Hochseesegler, untersucht u. a. die gruppenpsychologischen Hintergründe von schlechter Stimmung an Bord, die bis hin zur Meuterei führen kann.


Piratenleben
Von Arne Bialuschewski. Die abenteuerlichen Fahrten des Seeräubers Richard Sievers, 191 Seiten, illustriert. Campus-Verlag, Frankfurt 1997, 39,80 Mark.

Sievers, der vom Autor als der „einzige deutsche Seeräuber von Weltgeltung“ bezeichnet wird, war im 17. Jahrhundert Steuermann auf einem der Piratenschiffe, die, von britischen Kaufleuten ausgerüstet, im Indischen Ozean reiche Mekkapilger ausrauben sollten. Was das Buch besonders lesenswert macht, sind die detaillierten Schilderungen des Bordlebens.


Gold und Galeonen. Segelabenteuer zu den Schatzinseln der Piraten
Von Bodo Müller. 222 Seiten, mit Fotos. Edition Maritim, Hamburg 1996, 36 Mark.

Als erstem westlichen Autor seit knapp 40 Jahren ist es Müller gelungen, die früheren Schlupfwinkel der Piraten und Freibeuter aus dem 16. und 17. Jahrhundert an der Südküste Kubas mit seinem Schoner aufzusuchen. Besonderes Augenmerk legt er auf Stevensons Vorbild für die Schatzinsel, die Isla de Pinos, auf der Francis Drake, Henry Morgan und andere Größen des Seeräuberwesens ihre Beute versteckt haben sollen.


Meuterei. Rebellionen an Bord
Von Leonard F. Guttridge. 352 Seiten, 57 Abbildungen und Karten. Urbes-Verlag, München 1997, 39,80 Mark.

Das einzige Buch, das die bedeutendsten Meutereien der Neuzeit, vor allem der letzten zwei Jahrhunderte schildert. Insbesondere solche, die auf Kriegsschiffen stattfanden. Mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, aber ohne den Anspruch, dem Phänomen Meuterei und seiner Entstehung auf den Grund zu gehen. Beachtlich sind vor allem die Originalfotos vom Geschehen auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“.


Das Meer gehört uns. Piratinnen und andere Seefrauen
Von Helga Helsper. 141 Seiten, einige Illustrationen. Unionsverlag, Zürich 1991, 16,90 Mark.

Die Autorin verschlang in ihrer Kindheit Bücher über die Seefahrt und ihre Abenteuer. Irgendwann erkannte sie, daß sie sich nicht mit ihren Lieblingshelden identifizieren konnte, weil sie „nur“ ein Mädchen war. Um diesem Mißstand abzuhelfen, ging sie auf die Suche nach einschlägigen Heldinnen und schrieb über sie dieses Taschenbuch.


Piratinnen
Von Ulrike Klausmann und Marion Meinzerin. 194 Seiten. Verlag Frauenoffensive, München 1992, 32 Mark.

Nicht nur die Ikonen weiblicher Piraterie werden beschrieben, sondern auch Japanerinnen, die Schiffe von Frauenhändlern angriffen, und Wikingerinnen, die den Atlantik unsicher machten.


Mit Totenkopf und Enterhaken. Die Abenteuer der Seeräuber in Nord- und Ostsee
Von Heiner Boehnke und Hans Sarkowicz. 217 Seiten, einige Illustrationen. Eichbornverlag, Frankfurt 1994, 29,80 Mark.

Das Autorenteam beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit namhaften Räubern der Weltgeschichte. Eine denkbar kompetente Autorenschaft also für das Buch über die bedeutendste europäische Piratenregion des ausgehenden Mittelalters vor, während und nach Klaus Störtebeker.

mare No. 7

No. 7April / Mai 1998

Eine Auswahl von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
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