Bak-Waren

Als der Koch der Berliner „Pi Bar“ noch Smutje war, hat er eines gelernt: Schön scharf muss die Speise sein

Die übliche Kreuzung aus Bar, Café und Restaurant. Bunt angemalt, plüschige Sofas, Dielen, schummriges Licht, alles ein wenig ostig, ohne dass man genau wüsste, warum. Die „Pi Bar“ liegt in der Gabriel-Max-Straße, in der Nähe des „Boxi“, wie der Boxhagener Platz hier im Szenedeutsch heißt.

Chefkoch ist Salih Bak, ein breitschultriger Türke, der das meist jugendliche Volk von Friedrichshain mit günstigen Gemüsegerichten und Fisch versorgt. Bak spricht schlecht Deutsch und blickt immer wieder Hilfe suchend nach oben. Wenn es um Leidenschaft und Hingabe geht, greift er sich ans Herz. Sobald er von Fisch redet oder von der Seefahrt, zupft Bak sein Bärtchen zurecht und lässt die Hand auf die linke Brustseite rutschen. Bak hat seinen zweiten Sohn Deniz getauft, „das Meer“, das sagt eigentlich schon alles.

Als er 1989 nach Berlin kam, ist vor Schreck gleich die Mauer umgefallen, er platzte in den Epochenwandel des Jahrhunderts. Doch Bak beschäftigte vor allem der Verlust des Meeres. So fuhr er nicht ins neue Ost-Berlin, sondern zum Wannsee, um wenigstens ein paar Spritzer Wasser um sich zu haben. Kein Leuchtturm, keine ozeanischen Weiten, aber doch ein paar Segelboote und ein freier Blick.

„Türkei ist nicht wie Deutschland“, sagt Bak. Also musste er schon als 15-Jähriger anheuern. Als Smutje fuhr er auf einem Frachtschiff und richtete das Frühstück für die Besatzung. Drei Jahre lang hat er Mahlzeiten vorbereitet, dann war er Beikoch, schon zwei Jahre später Chef in der Kombüse; das blieb er zehn Jahre.

Und wie kocht man für eine 50-köpfige Multikultibesatzung aus Afrikanern, Arabern und Europäern? Alle bekommen dasselbe, ein Essen mit Zutaten aus allen Kontinenten, mit viel Gemüse, Bohnen, Reis und Fisch. Und die Schärfe muss immer auf dem Tisch stehen: Chiliöl und Paprika. Wenn die Vorräte schmolzen, gab es auch mal Spaghetti mit türkischem Knoblauchschinken. Oder selbst gefangenen Fisch.

An Bord lagen Angeln für den Ernstfall: für die Fischpfanne, Baks Spezialität. Wenn die „Kalawan“ vor einem Hafen lag und auf die Passage wartete, ließ der Koch Köder auswerfen, ließ Rochen, Sardinen und andere Flossentiere fangen, um dann jeden einzelnen Fisch individuell zu braten und in seiner Riesenpfanne mit „ein bisschen Gemüse, ein bisschen Kartoffeln“ zu servieren. „Dazu eine Weißweinsauce“, und die Hand geht zum Herzen.

Bak benutzt keine Kochbücher, kocht „nur mit mein’ Fantasie“. Das hat er auch getan, als sein erster Kapitän mit nobler Entourage und einer Kiste Hummer an Bord kam und von seinem Chefkoch einen Ausflug in die Haute Cuisine verlangte.

Bak weiß noch, wie er nervös den Hummer auslöste, in Würfel hackte, mit Knoblauch und Schalotten anbriet und marinierte Rosinen (!) und Zwiebeln untermischte. Mit der gewagten Farce wurde das Hummerskelett gefüllt und ins Rohr geschoben. Antreten beim Kapitän, hieß es dann zum Nachtisch. Anschiss oder Schulterklopfen? Für den gefüllten Hummer mit Rosinen gab es eine Flasche Whisky und eine Stange Zigaretten. Das ist für einen Seemann fast ein Michelin-Stern.

„Auf dem Schiff war alles besser“, sagt Bak und erzählt vom Arabischen Golf, wo die See im Morgenlicht wie ein glatt gezogenes Bettlaken unter dem Himmel döste. Vollkommen regungslos.

Als seine Frau das erste Kind bekam, war es vorbei mit großer Fischpfanne und der „Kalawan“. Salih Bak ging mit seiner Frau nach Berlin. Hier arbeitet er seither als Koch, brät Zucchini für Vegetarier und kauft Muscheln, Fisch und Kalamari für sein Meeresfrüchte-Risotto. Für mare hat er Scampi mit Knoblauchjoghurt gekocht. Einfach und originell. Es duftet wie in der Kombüse der „Kalawan“. Zum Glück gab’s keine Sturmwarnung. Essen mit Sauce hätte Salih Bak wegen Schwappgefahr sonst gar nicht servieren dürfen.


Riesengarnelen in Joghurt-Knoblauch-Sauce

Zutaten

Pro Person vier Garnelen, eine Handvoll Croutons, 200 Gramm Joghurt, eine Schalotte, zwei Esslöffel Paprikawürfel, das Grün von zwei Frühlingszwiebeln, Schnittlauch und Petersilie, ein Achtelliter trockenen Weißwein, Knoblauch, Sambal Oelek, Tomatenmark.

Zubereitung

Die Croutons in eine Auflaufform geben, darüber den Joghurt verteilen, der zuvor mit einer durchgedrückten Knoblauchzehe aromatisiert wurde. Die Form für fünf Minuten in den Backofen geben. Währenddessen die Garnelen (mitsamt Panzern) in der Pfanne eine halbe Minute in Olivenöl anbraten, die klein gehackte Schalotte und Paprikawürfel, das fein geschnittene Grün der Frühlingszwiebeln sowie eine halbe durchgepresste Knoblauchzehe dazugeben, noch eine halbe Minute braten lassen, dann mit Schnittlauch und Petersilie würzen. Das Ganze mit Wein ablöschen, salzen, pfeffern, einen halben Teelöffel Tomatenmark einrühren und mit wenig Sambal Oelek abschmecken. Jetzt die Croutons mit dem Joghurt aus dem Ofen holen. Die Pfanne vom Feuer ziehen und die Garnelen über die Croutons geben. Dazu ein Glas Weißburgunder servieren.


Pi Bar

Gabriel-Max-Straße 17
10245 Berlin-Friedrichshain
Tel. 030/293 67 581.
Montag bis Samstag ab 16 Uhr, Sonntag ab 10 Uhr geöffnet.

mare No. 36

No. 36Februar / März 2003

Von Manfred Kriener und Maurice Weiss

Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Maurice Weiss, Jahrgang 1964, lebt in Berlin. Er ist Fotograf der Agentur Ostkreuz.

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Vita Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Maurice Weiss, Jahrgang 1964, lebt in Berlin. Er ist Fotograf der Agentur Ostkreuz.
Person Von Manfred Kriener und Maurice Weiss
Vita Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Maurice Weiss, Jahrgang 1964, lebt in Berlin. Er ist Fotograf der Agentur Ostkreuz.
Person Von Manfred Kriener und Maurice Weiss