Aufklärungspatrouille

Die sechste und letzte Etappe der Expedition „SOS Weltmeere“ endet, wo sie begonnen hat: bei den Walfängern in der Antarktis. Fazit einer Dienstreise

Die „Esperanza“ liegt jetzt im antarktischen Rossmeer, keine Meile von der japanischen Walfangflotte entfernt. Eine Woche ist seit dem verheerenden Brand auf dem Fabrikschiff „Nisshin Maru“ vergangen, bei dem ein Mann ums Leben kam. Das Feuer ist gelöscht, aber nun driftet das Flaggschiff der Japaner steuerlos auf eine bedeutende Pinguinkolonie zu, in seinen Tanks sind noch 1300 Tonnen Diesel. Ein Versorger und ein kleineres Jagdboot sind längsseits gegangen, um die Lage der „Nisshin Maru“ zu stabilisieren.

Normalerweise keine Situation, die Medien weltweit eine Schlagzeile wert wäre, es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo Schiffe in Schwierigkeiten geraten, aber diese Konstellation hat es in sich: Walfänger setzen einen Notruf ab, Umweltschützer von Greenpeace eilen zur Hilfe. Dabei sollten sich die japanischen Seeleute eigentlich glücklich schätzen, denn mit der „Esperanza“ steht ihnen jetzt ein Schiff zur Seite, das ursprünglich genau für diesen Zweck gebaut wurde – als Feuerlöschboot und Bergungsschlepper.

Doch das Fischereiministerium in Tokio untersagt der Flotte, Hilfe von außen anzunehmen – schon gar nicht von den „Ökoterroristen“, wie sie die Crew der „Esperanza“ nennen – schlimmer noch als die Havarie und die möglichen Folgen für die Gewässer erscheint den Bürokraten allemal der Gesichtsverlust. 935 Mink- und zehn Finnwale haben sie in dieser Saison zum Abschuss freigegeben – wie üblich im Namen der Wissenschaft. Ein fragwürdiges Unterfangen, selbst wenn alles glattgeht.

Die Internationale Walfangkommission (IWC) bezweifelt, dass man auch nur einen einzigen Wal für die Forschung töten muss, zu schweigen von annähernd 1000 Tieren. Jedenfalls ist Öffentlichkeit das Letzte, was die Jäger bei ihrem Schlachtfest gebrauchen können. Doch wie im Jahr zuvor hat Greenpeace genau das bewirkt, ohne spektakuläre Manöver in diesem Fall, ohne riskante Schlauchbootfahrten vor den Harpunen der Jäger – bereits die Anwesenheit der „Esperanza“ genügte.

Und so fügt sich auch diese unvorhersehbare, dramatische Episode nahtlos in die Chronik der Expedition „SOS Weltmeer“ ein. Das wichtigste Ziel der 14 Monate langen Fahrt war es, die Aufmerksamkeit auf Regionen und Zustände zu lenken, die sonst nicht in den Medien auftauchen. Wobei es nicht in erster Linie darum ging, ökologische oder humane Katastrophen aufzudecken und Missstände anzuprangern. Das eigentliche Ziel war allgemeiner gefasst.

„Wir wollten den Menschen vor allem zeigen, wie großartig die Ozeane sind, wie vielfältig“, sagt Sara Holden, die Sprecherin des Projekts an Bord der „Esperanza“.Wie wenig über diesen größten aller Lebensräume bekannt sei, erklärt Holden, habe erst vor Kurzem eine internationale Studie gezeigt. „Die Leute wurden gefragt, woran sie bei dem Wort ,Ozean‘ denken.

In der Regel antworteten sie: an den Urlaub, an den Strand. Sie sehen nur den Sand und die Brandung, in der sie planschen. Deshalb war es uns wichtig, sichtbar zu machen, was für die meisten Menschen normalerweise unsichtbar bleibt, weil es weit hinter ihrem Horizont liegt oder in unzugänglichen, vergessenen Gegenden des Planeten. Wir wollten die Weltöffentlichkeit mit der ,Esperanza‘ auf die Reise nehmen und ihr jeden Tag eine andere Geschichte vom Meer erzählen.“

Auf der Route lagen tatsächlich wunderbare Sehenswürdigkeiten – und gleichzeitig Orte, die der Mensch durch sein Wirtschaften an den Rand der Zerstörung gebracht hat. Die Expedition „SOS Weltmeer“ habe deshalb nicht von ungefähr in den Gewässern der Antarktis begonnen, sagt Sara Holden. „Die Jagd auf Wale steht wie kein anderes Thema als Symbol für den Raubbau an der Natur. Es gibt keine schlimmere Verschwendung auf diesem Planeten. Tiere zu töten oder aus ihrem Lebensraum zu reißen, nur weil man es kann, ist das Sinnbild für unseren verrückten Umgang mit den Ressourcen der Meere.“

Die Crew der „Esperanza“ schätzt, dass sie in der vergangenen Jagdsaison 82 Wale retten konnte. Wichtiger noch war den Umweltschützern allerdings, was die Aktion in den Konzernzentralen der großen Fischereinationen bewirkte. „Wir wussten, welche großen Unternehmen außerhalb Japans vom Walfang profitieren“, berichtet die Greenpeace-Sprecherin, „und so schickten wir unsere Schlauchboote beispielsweise mit ironisch verfremdeten Firmenlogos der US-Seafood-Kette Gorton in die Auseinandersetzung mit den Jagdbooten. Binnen zwei Monaten zogen sich die angeprangerten Firmen zurück. Als sie merkten, dass Walfang schlecht für Image und Geschäft ist, stießen sie ihre Anteile an den Walfangflotten ab.“ Ein erster Erfolg der Expedition. Jetzt stand nur noch die japanische Regierung hinter den Walschlächtern.


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mare No. 61

No. 61April / Mai 2007

Von Dave Walsh

Dave Walsh, freier Autor und Webdesigner, lebt in Dublin. Nach der Reise zu den Piratenfischern vor der Küste Westafrikas (mare No. 56) ist dies seine zweite Etappe auf der Weltreise der „Esperanza“.

Daniel Beltra, Fotograf aus Spanien, lebt seit fünf Jahren in Seattle.

Aus dem Englischen von Olaf Kanter

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Vita Dave Walsh, freier Autor und Webdesigner, lebt in Dublin. Nach der Reise zu den Piratenfischern vor der Küste Westafrikas (mare No. 56) ist dies seine zweite Etappe auf der Weltreise der „Esperanza“.

Daniel Beltra, Fotograf aus Spanien, lebt seit fünf Jahren in Seattle.

Aus dem Englischen von Olaf Kanter
Person Von Dave Walsh
Vita Dave Walsh, freier Autor und Webdesigner, lebt in Dublin. Nach der Reise zu den Piratenfischern vor der Küste Westafrikas (mare No. 56) ist dies seine zweite Etappe auf der Weltreise der „Esperanza“.

Daniel Beltra, Fotograf aus Spanien, lebt seit fünf Jahren in Seattle.

Aus dem Englischen von Olaf Kanter
Person Von Dave Walsh