25°04' Süd, 130°06' West - Folge 45

Alle Pitcairner erhalten Schadensersatz für Verdienstausfall. Die Universität der Studentin, die neulich auf der unbewohnten Nachbarinsel Henderson verunglückte, will Wiedergutmachung leisten. Die angehende Zoologin musste nämlich von einem per Funk herbeigerufenen Kreuzfahrtschiff aufgenommen und schnellstens ins Krankenhaus nach Tahiti transportiert werden. Deshalb konnte der Dampfer mit über 100 Passagieren nicht wie geplant vor Pitcairn ankern. Bei solchen Gelegenheiten verkaufen die Pitcairner üblicherweise ihre geschnitzten „Bounty“-Modelle, Briefmarken, T-Shirts und Trockenfrüchte für gutes Geld.

Eine reichlich bizarre Angelegenheit sorgt, obwohl schon lange zurückliegend, zurzeit für Gesprächsstoff. 1937 hatte die HMS „Leander“ Henderson besucht und dort eine britische Fahne gehisst sowie eine Plakette aufgestellt mit der Aufschrift: „Diese Insel gehört seiner Majestät König George VI“. Beim nächsten Besuch der Royal Navy im Jahr 1940 musste das Landekommando allerdings feststellen, dass beides verschwunden war. Die Männer trauten ihren Augen nicht, als sie stattdessen eine Flagge Nazi-Deutschlands mit dem Hakenkreuz entdeckten neben einer Tafel, auf der stand: „Mit besten Grüßen an König George VI., aber die Insel ist ab sofort unter der Hoheit des Großdeutschen Reiches.“ Wie die Symbole, die natürlich umgehend entfernt wurden, auf die völlig abgelegene Insel mitten im Pazifik gekommen waren, konnte nie geklärt werden.

Spektakel über Pitcairn: Ein Learjet kreiste mehrere Minuten rund um die steil aufragende Insel; Herkunft und Ziel waren nicht bekannt, es blieb ein unidentifiziertes Flugobjekt. Die letzte Visite eines Luftfahrzeugs ist schon mehrere Jahre her. Pitcairn hat keinen Flughafen, der Bau einer Landepiste wird seit Jahrzehnten diskutiert, scheiterte aber bisher immer an der Topographie und mangelnder Logistik für Flugbenzin.

Ein anderer Traum könnte dagegen auf absehbare Zeit Wirklichkeit werden. Pitcairn, die Insel mit einer in der Geschichte der Seefahrt so einmaligen Bedeutung, soll ein eigenes Museum bekommen. Eifrig wird dafür bei allen Möglichkeiten Geld gesammelt. Als kürzlich das Kreuzfahrtschiff „Odyssee“ draußen vor der Landestelle ankerte und die Passagiere dank günstigen Wetters an Land kommen konnten, brachte allein der Barbecue-Abend sage und schreibe 1900 Dollar für den Museumsfonds ein.

Radio Pitcairn auf Sendung: Die Kinder haben in der Schule einen unregelmäßig arbeitenden Sender installiert, den – leider nur – die Insulaner auf UKW empfangen können. Gesendet werden Reports, zum Beispiel über Inselflugverkehr, aber auch Musik und, natürlich, Witze, Witze, Witze.

Das Gericht in Neuseeland, das zurzeit im Auftrag Londons die Anklagen wegen sexuellen Missbrauchs auf der Insel verhandelt, hat schon mal eine Entscheidung getroffen: Pitcairn ist seit 1838 definitiv britische Kolonie. Das war von den Verteidigern angezweifelt worden, die damit die Zuständigkeit der britischen und der neuseeländischen Justiz in Frage stellen wollten. Die allermeisten Bewohner sind gegen den Prozess, wollen die Vorwürfe unter sich klären, auch weil sie befürchten, dass das Verfahren die Zukunft der Insel bedroht. In der Inselzeitung „Pitcairn Miscellany“ haben sie deshalb jetzt auch eine Solidaritätsadresse für Leon Salt veröffentlicht. Der Neuseeländer wurde kürzlich von seinem Posten als „High Commissioner“ für Pitcairn entbunden, weil er ein einfühlsameres Vorgehen der Behörden gegenüber den Insulanern und ihrem Inselrat eingeklagt hatte.

mare No. 45

No. 45August / September 2004

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
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