25°04' Süd, 130°06' West - Folge 41

Frohe Botschaft für alle Freunde Pitcairns: Das Standesamt auf dem Dorfplatz registrierte die erste Geburt auf der Insel seit 17 Jahren. Nadine hat eine Tochter bekommen, Emily Rose. Vater Randy war dabei. Alle übrigen Kinder Pitcairns erblickten in den vergangenen Jahren das Licht der Welt in neuseeländischen Kliniken. Diesmal waren die Bedingungen günstig. Lyle Burgoyne, australischer Pastor, der gerade auf der Insel arbeitet, ist nicht nur Krankenpfleger, sondern auch ausgebildeter Geburtshelfer. Angesichts von heute etwa 45 Bewohnern Pitcairns kann man Emily Rose eine wahre Bevölkerungsexplosion nennen.

Auch das Ende des Lebens ist zurzeit Thema. Ein Freund der Insel hatte angefragt, ob seine Urne später auf Pitcairn bestattet werden könnte. Der Inselrat nahm dies zum Anlass, zu überlegen, ob man nicht Beisetzungen grundsätzlich auch für Auswärtige anbieten sollte, um den kommunalen Haushalt aufzubessern. Ein "Aschenkomitee" wurde beauftragt, zu prüfen und anschließend in einem "Aschenreport" zu berichten. Der Friedhof, auf dem für ein solches Vorhaben wohl eine Mauer errichtet werden würde, bietet hoch über den Klippen und mit Aussicht auf die Höhle des Obermeuterers Fletcher Christian in der Tat ein Panorama, das durchaus Anziehungskraft ausüben könnte.

London richtete einen neuen Job in seiner kleinsten Kolonie ein: den Vertreter des Gouverneurs. Gleich nach der Ankunft kam die erste Amtsinhaberin Jenny Lock unter die Räder. Einer der üblichen Vierradbuggies, von einem unerfahrenen britischen Polizisten gesteuert, hatte sich mit ihr als Passagierin überschlagen; verletzt wurde niemand. Auch wenn sich keiner in der Richtung äußerte, so dürften die Pitcairner das Malheur der beiden womöglich mit etwas Schadenfreude registriert haben. Ist doch der Hintergrund, weshalb derzeit drei englische Polizisten und nun auch die Gouverneursstatthalterin auf Pitcairn sind, für sie ein Unding. Es geht nach wie vor um die Anklage gegen neun Pitcairner wegen Fällen sexueller Belästigung, die bis zu 40 Jahre zurückliegen. Neuseelands Justiz betreibt sie stellvertretend für London, auf der Insel will keiner davon etwas wissen.

Der Hochkommissar Pitcairns, Leon Salt, wurde jetzt erstes Opfer dieser Affäre. Sein Vorgesetzter, der Gouverneur, feuerte ihn. Der ebenfalls in Neuseeland amtierende Salt hatte sich kritisch über den Prozess geäußert und auf die Gefahr hingewiesen, dass London darüber die Zukunft der Insel ohne hinreichende Hinweise aufs Spiel setze. Im Auftrag der Insulaner und zu Gunsten ihres Etats hatte Salt auch die Internet-Domain ".pn" für die Insulaner verwaltet. Jetzt fordert die neuseeländische Regierung die Rechte an der Domain. Ein Streit, der noch nicht entschieden ist, den die Pitcairner aber als weiteren Hinweis darauf sehen, dass London mittels des Prozesses und Zudrehens aller Finanzspritzen seine letzte Kolonie im Pazifik "schließen" will.

Jay besuchte als Pitcairns Vertreter eine Umweltkonferenz auf den Bermudas. Es ging um Naturschutz für kleine Inseln. Dem Vernehmen nach soll Jay dabei gefordert haben, eine Spezies auf die Rote Liste gefährdeter Arten aufzunehmen: die Pitcairner.

Ein furchtbarer Gewittersturm wütete über der Insel, ein beeindruckendes Naturschauspiel mit Tausenden von gezackt-gegabelten und flächig blendenden elektrischen Entladungen. Andrew haute es regelrecht um, als ein Blitz in die Werkbank, an der er gerade arbeitete, fuhr, obwohl sie aus Holz war. Gottlob wurde er nicht verletzt. Auch das Gerücht, das in Adamstown umging, die zahllosen Ohrringe des Teenagers seien rechts wie links zusammengeschmolzen, konnte von Zeugen, die ihn später sahen, nicht bestätigt werden.

mare No. 41

No. 41Dezember 2003 / Januar 2004

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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