25°04' Süd, 130°06' West - Folge 3

Pitcairn Miscellany ist eine durch und durch internationale Zeitung. Die jetzige Redakteurin, Debbie Baronian, hat ihre Hilfskräfte (die Kinder aus der Inselschule) einmal durchzählen lassen: Insgesamt 970 Exemplare gehen derzeit an Abonnenten in 41 Ländern. Auf Pitcairn selbst werden nur zwischen 30 und 40 verteilt. In Deutschland gibt es 61 Abonnenten, in der Schweiz 20 und in Österreich fünf. Ein Jahresabonnement kostet acht Dollar. Der Redakteursposten wird in der Regel vom Lehrer bekleidet, der für jeweils zwei Jahre aus Neuseeland abgestellt wird (und währenddessen gleichzeitig Berater des Gemeinderates ist), oder — wie derzeit — von seiner Frau. Auch der Pfarrer (stets ein Australier) wechselt alle zwei Jahre. Er ist immer auch gleichzeitig Verkäufer im Dorfladen. Berufliche Voraussetzung: Er muss mit einer Krankenschwester verheiratet sein, die diesen Job während der zwei Jahre auf Pitcairn ausübt.

Aufgrund vieler Anfragen gibt die Zeitung jetzt bekannt: Die geheimnisvolle Miss Catfish, die den monatlichen Fishing Report aufzeichnet, ist: Clarice Brown, gut 30 Jahre alt und ledig (der letzte Report: Geangelt: 131, vom Boot geangelt: 544; Thunfische: 3; Barrakudas: 2; Haie: 0). Clarices Vertreterin ist Meralda, ebenfalls gut 30 Jahre und ledig. Meralda überraschte kürzlich damit, daß sie auch „Wahoo“ und „Dorado“ mit in die Statistik aufnahm. „Alles, was ich dazu sagen kann“, schrieb Redakteurin Debbie, „ist, dass es sich wohl auch um Fische handeln muß, sonst hätte Meralda sie nicht in ihre Statistik aufgenommen.“ Ganz nebenbei hat sich Debbie mal bei den knapp 20 Haushalten Pitcairns umgehört, was die denn mit den vielen hundert Fischen anfangen, die sie pro Monat fangen: „Ja, wir essen sie“, hieß es allenthalben.

Zur populärsten Haarschneiderin der Insel hat sich jetzt unumstritten Jenny Burgoyne entwickelt. Nicht nur – aber vor allem – die Jugendszene Pitcairns schwört auf „Jen’s“ Styling. Problem: Familie Burgoyne reist jetzt nach zweijährigem Aufenthalt ab.

Die Kommune Pitcairn bestreitet ihre Einnahmen fast ausschließlich durch Verkauf von Briefmarken. Bürgermeister Jay gab jetzt die neuesten Zahlen bekannt: 446 900 Neuseelanddollar hat man 1996 eingenommen (1982: 919 000 Dollar). Ein Grund dafür, dass Postmeister Dennis keine Rekordverkäufe mehr melden kann: Sammler in aller Welt wandten sich vom Pazifik ab, weil manche Länder dort zu viele Sonderreihen drucken (Tuvalu beispielsweise pro Jahr achtzig). Pitcairn beschränkt sich auf vier Sonderreihen.

Unter der Überschrift „Classic Events“ meldet Miscellany folgendes: Alle Pitcairner pflegen abends um fünf vor zehn noch Wasser für die Thermoskanne zu kochen, um morgens eine heiße Tasse Tee genießen zu können (Von 22.00 bis 9.00 Uhr ist der Hauptgenerator weit draußen vorm Dorf ausgeschaltet, d. Red.). Nur eine gewisse Person, „bekannt als Eoga“, beherrscht diese Vorausplanung, obwohl schon zwölf Monate auf der Insel, immer noch nicht. Jeden Morgen um sieben röhrt Eogas Hausgenerator deshalb drei Minuten lang durch alle Häuser Adamstowns. Neulich aber, als das Versorgungsschiff kam, haben alle geschmunzelt: Bei solchen Gelegenheiten läuft der Dorfgenerator schon um fünf, damit jeder von der hellen Beleuchtung aufgeweckt wird. Doch kaum wach, schmiß Eoga sofort wieder sein eigenes Kraftwerk für den Tee an. War es Gewohnheit, Tradition, oder schläft Eoga in Wahrheit immer noch, wenn er seinen Generator startet? Abstreiten nützt nichts, das ganze Dorf hat mitgehört!

mare No. 3

No. 3August / September 1997

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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