25°04' Süd, 130°06' West - Folge 14

Ein Trost für alle, denen einst unsere Meldung aus mare No.2, die Inselbevölkerung habe das Rekordtief von 26 Einwohnern erreicht, nahegegangen war: Zur letzten Jahreswende hielten sich auf Pitcairn und der dazugehörigen Insel Oeno insgesamt 66 Menschen auf – so viele wie schon viele Jahre nicht mehr. Davon waren 43 Einwohner und 23 Besucher.

Daß auf Oeno überhaupt jemand gezählt werden konnte, lag daran, daß viele Pitcairner wieder mal mit ihren Aluminium-Longboats zum sommerlichen Silvesterurlaub auf die 75 Meilen entfernte, ansonsten unbewohnte Insel aufgebrochen waren. Beim traditionellen Rugbyfight daselbst am Meer konnten sich die älteren Herrschaften Pawl und Dave nicht beherrschen, gegen die „Boys“ anzutreten. Die Folge: In der Hitze des Gefechts wurde Dave an der Eckfahne vorübergehend unter die Sandoberfläche gedrückt. Er schwor Revanche beim nächsten Mal, hörte der Reporter des „Miscellany“.

Der Strompreis dürfte bald erhöht werden. Ursache: Steigende Kosten für das Öl des Dorfgenerators und den Öltransport. Gefahr: Die aufblühende, aber energieintensive Branche der Bananentrockner könnte Rentabilitätsprobleme bekommen.

Anläßlich der Anwesenheit einiger Unterwasserarchäologen aus Australien, die ein paar Dinge von der versunkenen „Bounty“ heraufholten, erklärte Pastor John Chan: Nicht die Schiffskanone, auch nicht das Bewässerungssystem, mit denen die Brotfruchtbäume aus Tahiti, einst die „Bounty“-Fracht, frisch gehalten werden sollten, seien die wichtigsten Relikte des Meutererschiffes, sondern – die Schiffsbibel, die bereits seit gut 200 Jahren auf der Insel liegt. Fletcher Christian, der Meutererchef, hatte sie zuvor von seiner Mutter für die Reise mit Käpt’n Bligh erhalten. In der achtzehnjährigen Isolation zwischen 1790 und 1809 brachte damit John Adams, der einzige Überlebende der Meuterer, deren Kindern Lesen und Schreiben bei.

Bevor die Archäologen die Insel verließen, boten sie dem Dorfschullehrer an, mit den Kindern eine Schulstunde Archäologie praktisch zu veranstalten. Gegraben wurde am „Big Fence“, hoch oben über der Landestelle an der Bounty Bay. Ziemlich schnell kamen viele Funde ans Tageslicht. Doch ebenfalls recht rasch wurde klar, daß man auf die alte Abfallgrube von Steve und Olive gestoßen war. Peinlich.

Seit langer Zeit gibt es mal wieder so etwas ähnliches wie einen Shuttledienst mit einem Segelboot zum nächsten bewohnten Archipel: nach Gambier, der südöstlichsten Inselgruppe Französisch-Polynesiens. Graham Wragg fährt mit seiner Yacht „Te Manu“ nach Bedarf ein-, zweimal im Monat. Das letzte Mal hatte dies ein gewisser Carl Lipscome aus Australien vorgehabt, vor knapp zehn Jahren zu den 200-Jahr-Feiern der Ankunft der Meuterer. Er hätte damals durchaus ein paar Dollar verdienen können. Doch bevor es richtig losging, zerschellte sein Boot „Aviva“ an Pitcairns Klippen. Die Insulaner wurden damals den Verdacht nicht los, daß Carl absichtlich den Schiffbruch gesucht habe, zumal ihm dies einige Jahre zuvor schon mal passiert war. Warum all dies so kam, weiß keiner.

Die große Geschäftsidee scheint es nicht zu sein, die Captain Wragg in seinem Shuttledienst sieht. Mit seinem Bekannten Dave Ewans versucht er erneut, den Pitcairnern die Idee eines Inselflugplatzes nahezubringen. Eine Dorfversammlung hat laut „Miscellany“ große Zustimmung ergeben. Wohl weniger aus Begeisterung als aus Angst, die Insel bald aufgeben zu müssen, weil die Jugend abwandert und nicht zurückkehrt.

mare No. 14

No. 14Juni / Juli 1999

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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