Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Blick auf den Zürichsee bin ich aufgewachsen. Eine wunderschöne Aussicht, die jenseits des Sees an Hügeln und Bergen endete. Ich mochte diesen weiten Blick, aber er beunruhigte mich auch. Warum, wurde mir erst klar, als ich den Meereshorizont zum ersten Mal bewusst wahrnahm.
Naiv gesehen, endet die Meeresfläche an dem Übergang zum Himmel, an einem Strich, hinter dem nichts mehr zu sein scheint. So sahen es jedenfalls Europäer, wenn sie vor über 500 Jahren westwärts auf den Atlantik blickten. Und die Fischer erreichten nie dieses vermeintliche Ende, denn es schien sich schlicht einfach immer weiter zu verschieben. Besaß damals der atlantische Horizont schon die gleiche Wirkung wie heute? Vielleicht zum Teil. Aber erst nachdem Ende des 15. Jahrhunderts Europa bewusst wurde, dass hinter dem Horizont eine weitere, konkrete Welt liegt, endete der reine Glaube, die Furcht vor dem Unvorstellbaren, die Unbegreiflichkeit des Unendlichen. Und das Wissen begann. Wissen macht nicht immer glücklich, und das Verdrängen ist ein erfolgreiches Mittel zum – oberflächlichen – Glück, aber das Wissen um die Dinge mildert die Angst, nimmt die Ungewissheit.
Die Befreiung von Angst bringt erst innere Freiheit mit sich und schafft Raum für kognitives Bewusstsein. Im historischen Kontext scheint mir das Wissen um die Wahrheit des Horizonts die fundamentale Voraussetzung für die Zeit der Aufklärung gewesen zu sein, für den Beginn einer bewussteren Weltanschauung. Mir persönlich bereitet diese Erkenntnis von Freiheit innere Ruhe, da ich mich geborgen fühle in Anbetracht des Horizonts – ich weiß, dass es immer weiter geht, nichts aufhört, alles möglich ist und ich nicht allein bin.
Es ist schon eine Weile her, und wir freuen uns immer noch. Anfang Oktober wurde der norwegische Autor Jon Fosse als diesjähriger Nobelpreisträger für Literatur verkündet. Im mareverlag haben wir dessen Novelle „Das ist Alise“ seit 20 Jahren im Programm. Und wie der Literaturkritiker Denis Scheck zu Recht behauptet, eignet sich dieser Text besonders als Einstieg in Fosses Werk, weil er eine Reduktion aller großen Themen des Autors beinhaltet. Dieses schmale, zugängliche Buch, dessen Weltrechte mare besitzt, findet nun nicht nur unzählige neue deutschsprachige Leserinnen und Leser, sondern wir verkaufen seit der Bekanntgabe der Auszeichnung Lizenzen in viele weitere Länder. Es ist wundervoll, wenn ein so bedeutender Preis vielen Menschen einen weiteren Einblick in große Weltliteratur ermöglicht.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke
Unter dem Ural lag einst das urzeitliche Meer von Perm. Übrig blieb davon nichts als eine gigantische Salzschicht tief in der Erde. Ihr unterirdischer Abbau gefährdet nun eine ganze Region
Nach Hitlers Machtergreifung im März 1933 fanden viele deutsche Schriftsteller und Intellektuelle Zuflucht in Sanary-sur-Mer an der Côte d’Azur. Prominentester Exilant war Thomas Mann
Die toskanische Küstenstadt Viareggio ist Welthauptstadt des Superyachtbaus. Hier konzentriert sich, was die einen als legitimen Ausdruck eines Luxusbedürfnisses, andere als obszönen Exzess des Turbokapitalismus betrachten
Wer irgendwie unzufrieden ist und sich selbst sucht, der sollte um die Welt reisen. So lautet die große Erzählung. Stimmt das?
Seit Anbeginn beschäftigen wir Menschen uns mit der mystischen Grenze zwischen Himmel und Erde. Der sich verändernde Blick auf sie beschreibt vor allem unsere geistige Entwicklung
Der Pariser Kurator Thomas Doubliez konzipierte eine Ausstellung mit Kunst und Fotografie zum Thema Horizont. Mit mare sprach er über die Erkenntnisse daraus und deren Grenzen
Das „Old Pearler“ im westaustralischen Denham serviert nicht nur Muscheln – das ganze Haus besteht daraus
Die Erzrivalität zwischen Hamburg und Altona mündete gegen Ende des 19. Jahrhunderts in einen „Krieg“ der Fischauktionshallen der beiden Städte
Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert ließ der US-Öltycoon Henry Morrison Flagler eine Eisenbahn entlang der Ostküste Floridas über die Keys bis nach Key West bauen. Damit legte er auch den Grundstein für Miamis Aufstieg zu einer atlantischen Metropole
Das Fundament eines alten Leuchtturms in der Bucht von SanSebastián verwandelte die baskische Bildhauerin Cristina Iglesias in ein Kunstwerk, das unsere Augen öffnet für das Wesenhafte des Meeres
Es gibt nicht viele musikalische Werke, in denen die dunkle und die helle Schönheit des Meeres so gut hörbar werden wie in „The Sea“ des britischen Komponisten Frank Bridge
Das Meer bindet 25 Prozent des menschengemachten Kohlendioxids – und ist somit eine maßgebliche Bremse der Klimaerwärmung. Im „WOR 8“ geht es nun um die Frage: Müssen wir diesen natürlichen Speicher künstlich erweitern, um unseren Planeten zu retten?
Im Jahr 1819 reiste der Vogelkundler Johann Friedrich Naumann nach Sylt. Zwei Monate lang erforschte, dokumentierte und zeichnete er dort die Vogelwelt. Das zwölfbändige Werk, das hieraus entstand, machte ihn zum Urvater der deutschen Ornithologie
Eine hauchdünne Schicht voller Leben: In den obersten Zentimetern der Ozeane existiert eine Gemeinschaft teils bizarrer Geschöpfe, denen Stürme und schädliches UV-Licht nichts anhaben können