Liebe Leserin, lieber Leser,
anfangs begeisterte mich die Ästhetik des klaren Wassers in den Erlenmeyerkolben, das, von einem kaum wahrnehmbaren hellgrünen Schleier von Algen durchzogen, von Tageslichtlampen im Kulturenraum durchleuchtet war. Unter dem Mikroskop zeigten sich zudem die wunderbarsten Formen, die die Natur bereithält. Diese Algenkulturen waren die Grundlage meiner Arbeit als Planktologe. Doch die Faszination für die Schönheit wich schnell dem Interesse an der Komplexität des marinen Ökosystems. Der Titel meiner Dissertation lautete: „Die Verfügbarkeit von Eisen durch UV-Licht als Nährstoff für Algen“, also einzelliges Phytoplankton, das aus CO2 und Sonnenlicht Biomasse produziert. Hier manifestiert sich die thematische Vielfalt von Biologie, Chemie und Physik der modernen Meereskunde.
Im Zusammenspiel mit diesen unterschiedlichen Wissenschaften wird deutlich, dass die Ozeane wie ein Organismus funktionieren. Alles hängt – für Nichtwissenschaftler kaum sichtbar – miteinander zusammen. Doch sind weder dieses Zusammenspiel noch der Zustand des Systems von außen erkennbar. In den Meeren ist alles durch das Wasser miteinander verbunden; ein sich zersetzender Fisch zum Beispiel wirkt sich unweigerlich auf seine Umwelt aus.
An Land stellt sich das ganz anders dar. Eine tote Kuh hat kaum Auswirkungen auf den 100 Meter entfernten Baum, und geht man durch einen Wald voller kranker Bäume, vermittelt sich sein schlechter Zustand sehr wohl.
Das Meer ist ohne Anwaltschaft und stirbt gerade, nicht sichtbar, an Multiorganversagen. Das Phytoplankton leidet massiv unter Erwärmung und Versauerung als Folgen des Klimawandels. Die Grundlagen des Lebens in den Ozeanen befinden sich auf einem desaströsen Weg, der, viel folgenreicher als jeder Plastikmüll, unsere globale Zukunft aufs Spiel setzt. Für mich ist dies die größte Bedrohung unseres Planeten. Deswegen widmen wir in dieser Ausgabe den Algen wieder einmal etwas mehr Aufmerksamkeit (ab Seite 58).
Eine Folge eines anderen komplexen Systems sind die ungeheuren Papierpreiserhöhungen der letzten Monate – fast 20 000 Euro mehr je mare-Ausgabe. Diesem Umstand müssen wir leider mit einer Preiserhöhung jeder mare um einen Espresso alle zwei Monate entsprechen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke
Ihre mare-Hotline in die unerforschten Weiten und Tiefen der Meere
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