Liebe Leserin, lieber Leser,
war 1971 ein besonderer Sommer? Mit „Love Story“ kam der ultimative Liebesfilm in die Kinos, Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt ordnete den Haarnetz-Erlass für die Bundeswehr an, und 374 Frauen outeten sich im „Stern“, abgetrieben zu haben, ein Meilenstein der Emanzipation.
Doch auch im Stillen, an den Ufern des Mittelmeers, wurde Geschichte geschrieben, Musikgeschichte. Vor allem von den Rolling Stones. In jenem Sommer schufen sie an der Côte d’Azur rauschhaft ihr wohl bestes Werk, „Exile on Main Street“, von dem führenden Musikmagazin „Rolling Stone“ noch 2020 auf Platz 14 der 500 besten Alben aller Zeiten gelistet.
Im Jahr zuvor verlor Joni Mitchell ihr Herz an einen Mann, der in den legendären Höhlen von Matala, dem damaligen Hippie-Mekka im Süden Kretas, lebte, und schrieb darüber „Carey“, ein herausragendes Stück auf ihrer legendären LP „Blue“ – auch diese vom „Rolling Stone“ gerühmt, sogar als drittbestes Album aller Zeiten.
Und Leonard Cohen lebte einige Zeit zuvor mit Marianne Ihlen auf der Ägäisinsel Hydra zusammen – was ihn zu einem seiner berühmtesten Lieder, dem Klassiker „So Long, Marianne“, inspirierte (Seite 72 ff.).
Zu gern würde ich an dieser Stelle das Mittelmeer als Inspiration für diese kulturellen Leistungen anführen. Womöglich ist es ja auch so. Wie nach Meinung von Kunstexperten die mediterranen Gestade auch den „Fauves“, der avantgardistischen Bewegung der französischen Expressionisten, Flügel verliehen.
Aber vielleicht ist dies zuerst dem Savoir-vivre, der Lässigkeit der warmen Sommerabende der Méditerranée geschuldet. Nur, wie kommt es dann, dass Felix Mendelssohn Bartholdy für die berühmte Hebriden-Ouvertüre, vor allem aber für seine dritte Sinfonie, die „Schottische“, geradezu gegenteilige Voraussetzungen hatte? „Die schottischen Hochlande und das Meer brauen miteinander nichts als Whiskey, Nebel und schlechtes Wetter. Die Fahrt mit unserem Dampfschiff war alles andere als erfreulich. Je tiefer das Barometer fiel, desto höher stieg die See. Die Ladies fielen um wie die Fliegen, und der ein oder andere Gentleman tat es ihnen gleich.“ So schrieb er in seinem Reisetagebuch im August 1829.
Ach, ob nun die Sommer jener Jahre besondere waren, bezweifle ich. Aber das Meer inspiriert, das möchte ich nicht bestreiten. Auch wenn Berge, Drogen, Großstädte oder vor allem die Liebe ebenso sehr die Künstlerinnen und Künstler anregten.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke
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