Liebe Leserin, lieber Leser,
gerade, als meine Zuversicht schwand, lichtete sich nach und nach der Nebel und gab den Blick frei auf die ersten großen Eisberge der Diskobucht. Je näher wir uns dem Jakobshavn-Gletscher mit dem Schiff näherten, desto majestätischer und zahlreicher wurden sie. Am Ende des Tages, kurz vor Mitternacht, glitten wir, mit ausgeschaltetem Motor, in absoluter Stille, an Hunderten riesigen, in der Mitternachtssonne erstrahlenden Eisbergen entlang.
Doch solche Momente der Vollkommenheit bergen auch eine Schattenseite. Von dem Gletscher, Teil des riesigen Grönländischen Eisschilds, lösen sich in einem Jahr bis zu 35 Milliarden Tonnen Eis, mit steigender Tendenz. Allein die Fließgeschwindigkeit des Gletschers verdreifachte sich in den letzten 20 Jahren auf 17 Kilometer im Jahr. Er gleitet immer schneller auf dem zunehmenden Schmelzwasser, das wie ein Schmiermittel wirkt. Denn die fast unvorstellbaren Massen des Eispanzers über Grönland, bis zu drei Kilometer dick, 2500 Kilometer lang und mit einem Volumen von 2,9 Millionen Kubikkilometern, schmelzen aufgrund des Klimawandels rasant, mit dramatischen Folgen für die gesamte Erde.
Die gewaltigen Ausmaße und die lebensfeindlichen Umstände Grönlands regten auch die Fantasie von Entdeckern an. Als am 26. September 1888 – nach fast zwei Monaten und 600 Kilometern über fast 100 Meter tiefe Gletscherspalten, mit tosenden Stürmen bei minus 45 Grad Celsius – sechs Männer unter der Leitung Fridtjof Nansens den Eisschild erstmals zu Fuß überquerten, besiegelte diese Leistung seinen legendären Ruf als wichtigster Polarforscher seiner Zeit (Seite 72).Nansens heutige Kollegen wie Jørgen Peder Steffensen erforschen die noch viel weiter zurückliegende Vergangenheit. Mittels Eiskernbohrungen blicken sie regelrecht in die letzten 10 000 Jahre und finden so Hinweise auf die Punischen Kriege oder die Antoninische Pest und leider auch Beweise für den dramatischen Klimawandel.
Lebensfeindlich und zugleich lebensnotwendig und von unfassbarer Schönheit und Erhabenheit – der Grönländische Eisschild ist weit weg. In der vorliegenden Ausgabe bringen wir ihn Ihnen hoffentlich etwas näher.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke
Ihre mare-Hotline in die unerforschten Weiten und Tiefen der Meere
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